PETER HÜBNER
Klassischer Komponist • Musikwissenschaftler

DIE KUNST DES WEIBLICHEN

Peter Hübner - The Art of the Feminine CLASSIC-Life: Herr Hübner, Sie haben eine ganze Reihe von Werken geschaffen, die den Obertitel „Die Kunst des Weiblichen“ tragen. 16 davon tragen den Untertitel „Zuneigung“ und 16 weitere den Titel „Harmonie“.

Wenn man hineinhört, dann stellt man fest, daß sie alle irgendwie miteinander verwandt sind. Können Sie uns hierzu einiges sagen?

PETER HÜBNER: Die „Weiblichkeit“ ist ja erst einmal ein heikles Thema – in einer Zeit, in der besonders in hohen Positionen immer mehr Frauen öffentlichkeitswirksam „ihren Mann stehen“.

Wie die ganze Natur, so präsentiert uns auch der Mikrokosmos der Musik aufbauende Kräfte, erhaltende Kräfte und zerstörende Kräfte.
In den Hochkulturen der Menschheit wurden die Prinzipien der „Erhaltung“ dem Element des Weiblichen zugeschrieben und „Schaffen“ sowie „Zerstören“ dem Männlichen.

Ich habe aus dem Mikrokosmos der Musik die Prinzipien des Erhaltenden auf das Kompositorische übertragen und in einer bis zu fünfstimmigen Fuge zur Anwendung gebracht.

Dabei läßt sich das Fugenthema vielfach abwandeln, ohne daß dabei das musikalische Element des Weiblichen angetastet würde.

Insofern sind die jeweils 16 Werke Abwandlungen ein- und derselben weiblichen Thematik. Deshalb unterscheiden sie sich voneinander. Näher darauf einzugehen, würde zuviel Erklärung bedeuten – man kann ohnehin alles hören.

Hiermit hat es aber auch noch eine besondere Bewandtnis: alle 16 Werke einer Reihe sind miteinander verwandt. Man sollte meinen, man könnte sie leicht im Gedächtnis behalten, und die Musiker könnten annehmen, daß sie sie dann nach einiger Zeit leicht auswendig zu spielen vermögen.
Aber gerade das wird durch die enge Verwandtschaft dieser Werke erschwert – wenn nicht gar unmöglich gemacht.

Ich glaube deshalb, daß beispielsweise ein Dirigent diese Werke, wenn er sie alle kennt, nicht auswendig dirigieren könnte – während es ihm leicht möglich wäre, wenn er nur eines von ihnen kennt.

CLASSIC-Life: Nun gibt es ja unter der „Kunst des Weiblichen“ die beiden Zyklen „Zuneigung“ und „Harmonie“. Worin unterscheiden sie sich?

PETER HÜBNER: Die jeweiligen einzelnen Sätze sind in bezug auf die 5 polyphonen Stimmen gleich. Aber die Reihe „Harmonie“ verfügt noch über den Generalbaß, der die natürliche harmonische Entwicklung offenbart – während dieser Generalbaß bei der Reihe „Zuneigung“ fehlt.

Warum nun diese beiden Gruppen „Zuneigung“ und „Harmonie“? Hier muß ich etwas mehr erklären. Stellen Sie sich fünf Kinder vor, die auf einer Wiese miteinander spielen.
Der ideale natürliche harmonische Umgang dieser fünf Kinder wird durch die Reihe „Zuneigung“ dargestellt, wobei 5 Stimmen diese Kinder symbolisieren.

Die Grundlage einer natürlichen harmonischen musikalischen Entwicklung kann aber nur der Generalbaß sein – der hier zwar nicht gespielt wird, nach dem sich die 5 Stimmen aber dennoch richten. In der Reihe „Harmonie“ wird dieser Generalbaß gespielt, und er verkörpert hier die Mutter.

Während wir in der Reihe „Zuneigung“ das Spiel der Kinder nur mit der geistigen Allgegenwart der Mutter erleben, erfahren wir in der Reihe Harmonie im Generalbaß die Harmonie schaffende Mutter und erkennen dann erst unzweideutig in ihr die Grundlage für die natürliche harmonische Entwicklung des Spiels der Kinder – der 5 Stimmen.

Das Interessante bei „Zuneigung“ ist, daß man sich in seinem Unterbewußtsein – und der Musikfachmann vielleicht auch in seinem Bewußtsein – anhand des Spiels der Kinder: der 5 Stimmen – die natürliche harmonische Rolle der Mutter im Generalbaß dazudenkt und hierbei allerdings auch manchmal irrt. Dies stellt man aber erst fest, wenn man später das entsprechende Werk mit der entsprechenden Nummer aus der Reihe „Harmonie“ mit dem Generalbaß, also mit der Rolle der Mutter, hört.

Peter Hübner - The Art of the Feminine In natürlicher harmonischer Musik bestimmt immer der Generalbaß den natürlichen harmonischen Entwicklungsgang, und so bestimmt auch hier der Generalbaß die natürliche harmonische Entwicklung der 5 Stimmen – ganz wie die Mutter die natürliche harmonische Entwicklung ihrer fünf Kinder bestimmt.
Da es hier ja um „Die Kunst des Weiblichen“ geht, handelt es sich auch neben der Mutter bei den 5 Stimmen um die Darstellung von fünf Mädchen.

Bei „Der Kunst des Männlichen“ wird dann entsprechend der Vater als Generalbaß die entscheidende harmonisierende Rolle spielen, und die spielenden Kinder sind dann Söhne.

Die Sache ist aber noch spezieller: Bei den ersten 4 „Besinnungen“ handelt es sich nicht um fünf verschiedene Mädchen, sondern um das Spiel eines Mädchens mit sich selbst in 5 Rollen gleichzeitig.
Es handelt sich musikalisch um ein Thema, das mit sich selbst in bis zu fünffache spielerische musikalische Bewegung versetzt wird – geleitet und gehalten durch die Mutter als Generalbaß: in der Reihe „Zuneigung“ gedanklich und in der Reihe „Harmonie“ physisch bzw. klanglich.

Bei „Zuneigung“ ist also die Mutter nur geistig zugegen und bestimmt nur durch ihre geistige Gegenwart den natürlichen harmonischen fünffachen Tanz des Mädchens; und bei „Harmonie“ ist die Mutter physisch bzw. klanglich zugegen, und man erfährt im Generalbaß die natürliche Grundlage für die Harmonie des fünffachen Tanzes.

Soweit die Besinnungen 1-4 bei „Zuneigung“ bzw. „Harmonie“.

In den „Besinnungen“ 5 – 8 handelt es sich jeweils um den fünffachen Tanz zweier Mädchen. In den Besinnungen 9-12 handelt es sich um den fünffachen Tanz dreier Mädchen und bei 13-16 um den fünffachen Tanz vierer Mädchen.

Die Mutter aller vier Mädchen ist dieselbe – was man aus der Entwicklung des Generalbasses entnehmen kann. Und welches Mädchen gerade tanzt und in wievielen Rollen gleichzeitig, das zeigt sich in den Themen, die man hört.

Aus diesen beiden Zyklen „Zuneigung“ und „Harmonie“ sind in erweiterter Form die „Metamorphosen“ hervorgegangen – wobei hier das Orchester vergrößert wurde, weil weitere Motive hinzukamen: neue Personen der musikalischen Handlung bzw. des Tanzes – Mädchen und Jungen.

Nun könnte vielleicht jemand fragen: warum macht der das alles? Hier produziert er mit „Zuneigung“ eine Reihe Musikwerke mit 5 Stimmen. Dann fügt er in einer weiteren Reihe „Harmonie“ noch den Generalbaß hinzu. Und dann schließlich bei den Metamorphosen zieht er noch weitere musikalische Themen und Motive hinzu.
In den „Metamorphosen“ habe ich ja alles drin. Was will ich dann noch mit „Harmonie“ und „Zuneigung“?

Hier hätten wir vielleicht die Sicht des ökonomisch denkenden Musikproduzenten bzw. des Musikkäufers, der nach den Gesetzen der Sparsamkeit denkt. Die Sache hat einen anderen Hintergrund:
Jeder Mensch muß lernen, mit sich selbst harmonisch umzugehen. Daß das nicht leicht ist und schon gar nicht immer leicht ist, weiß beinahe jeder.

In „Zuneigung“ kann man als Hörer lernen oder auch sich daran gewöhnen, in bis zu fünffacher Weise gleichzeitig mit sich selbst umzugehen – harmonisch!

Man kann also lernen, 5 verschiedene Rollen gleichzeitig in sich selbst zu spielen, ohne daß es zu dissonanten bzw. disharmonischen Kollisionen kommt, sondern dementgegen in einem sinnvollen Miteinander – was die Musik der 5 Stimmen als ganzes hörbar beweist.

Wo gibt es heute einen solchen Lehr- oder Lernprozeß? Zuhause, im Kindergarten, in der Schule, in der Universität, im Beruf?
Und solcher natürlicher harmonischer Umgang mit sich selbst ist ja die Voraussetzung für einen natürlichen harmonischen Umgang mit jemand anderem.

Bei den Besinnungen 5-8 handelt es sich – wie ich schon erklärte – jeweils um den fünffachen natürlichen harmonischen Umgang zweier Schwestern mit sich selbst und bis zu 5 x 5 = 25fach miteinander.

Peter Hübner - The Art of the Feminine Der Lernprozeß hier ist also einerseits die Wiederholung des fünffachen Umgangs mit sich selbst, wie er bei den Besinnungen 1-4 erlernt wurde. Hinzu kommt jetzt aber noch der natürliche harmonische Umgang mit der Schwester, die dabei auch in fünffacher Weise mit sich selbst umgeht.
Entsprechend erweitert sich der Bildungsrahmen bis zur Nr. 16.

In der Reihe „Harmonie“ kommt dann die Erkenntnis hinzu, daß dieselben naturgegebenen Harmoniegesetze unser aller Innenleben bestimmen: zwei oder mehrere Personen gehen sowohl mit sich selbst als auch mit anderen nach denselben harmonischen Gesetzen um.

Die „Metamorphosen“ erweitern diesen individuellen und sozialen Bildungsvorgang dann noch und heben ihn zusätzlich in das Feld des Ökologischen. Mit den weiteren hinzukommenden Orchesterstimmen werden nach denselben Harmoniegesetzen das Individuum, die soziale Gemeinschaft und dabei verwandte wie nicht verwandte Personen und schließlich auch noch ökologische Gegebenheiten in das harmonische Spiel integriert.

Keiner würde aus diesem „Ganzen“ in den „Metamorphosen“ das harmonische Miteinander zweier oder mehrerer Personen sowie die Gesetze, nach denen sich dieses Miteinander entwickelt, sicher heraushören können, gäbe es da nicht auch in dem Zyklus „Die Kunst des Weiblichen“ die beiden Gruppen „Zuneigung“ und „Harmonie“.

Denn der Hörer wird bei den „Metamophosen“ zu sehr von den weiteren Stimmen des Orchesters abgelenkt, um das fünffache Selbstgespräch eines einzelnen Mädchens klar herauszuhören oder auch die Rolle der Mutter. Aus diesem Grunde war und ist die Einspielung von allen drei Größenordnungen in gesonderter Form notwendig. Das ist klassische Musik: Bildung für die Seele, wie Sokrates es nennt.

CLASSIC-Life: Herr Hübner, auf Ihren Wunsch wurden die CDs von der „Kunst des Weiblichen“ mit dem Bild der Maria versehen. Ist sie von Ihnen aus gesehen eine besondere Verkörperung des Weiblichen?

PETER HÜBNER: Als ich dieses Bildnis der Pieta zum ersten Mal in Rom im Petersdom sah – es war 1972, ich hielt mich etwa ein halbes Jahr in der Nähe Roms auf und fuhr dann einigermaßen regelmäßig in die Stadt – da war ich von diesem Werk Michelangelos sehr tief beeindruckt.

Man muß sich vorstellen: einer Mutter ist gerade ihr Sohn ermordet worden – das Schlimmste, was ihr passieren kann.
Man ist gewohnt, daß Frauen schon anfangen, hysterisch zu werden, wenn sie ihre Handtasche verlieren oder ihr Mann „fremdgeht“.

Der Durchschnittsbürger überall auf der Welt würde doch erwarten, daß eine Frau, die gerade ihren Sohn verloren hat, völlig vergrämt ist und das dann auch in ihrem Gesicht ausdrückt.

Nichts dergleichen bei der Maria, wie Michelangelo sie dargestellt hat. Und blickt man dann zu ihrem Sohn, den sie in ihren Armen hält, dann fallen einem wohl zuerst die Dornenkrone und die schweren Wunden auf, doch schließlich erblickt man das Gesicht eines überaus wachen, völlig entspannt in den Armen seiner Mutter ruhenden Mannes.

Für mich war der in diesem Bildnis dargestellte Jesus wacher und mehr gegenwärtig als die meisten Menschen, die durch den Petersdom irrten. Er wirkte, als wenn er sich einfach nur sehr tief ausruhte und erholte.
Was mir auch auffiel war, daß er sehr viel größer war als seine Mutter und daß er auch schwer wirkte – und dennoch hielt sie ihn völlig anstrengungslos in ihren Armen, als hätte er überhaupt kein Gewicht.

Dieses Bildnis von der Mutter und dem Sohne gab mir sehr zu denken. Ganz offensichtlich hatte es Michelangelo geschafft, ihn als unsterbliche Seele darzustellen: hellwach, tief ruhend, völlig entspannt, voller Leben und trotz jener äußeren Wunden und der Dornenkrone auf dem Haupte auch völlig ohne Schmerz.
Und ganz offensichtlich sah ihn auch seine Mutter so und war nicht geblendet durch Wunden oder Tod oder Gewicht. Deshalb litt sie nicht.

Diese Maria lebte ganz offensichtlich jenseits von Geburt und Tod und erkannte auch ihren Sohn als unsterblich. Und sie war auch gar nicht älter als ihr Sohn.

Die meisten Männer glauben, wenn sie ein Kind zeugen, sie wären der Schöpfer dieses Kindes und deswegen soll ja auch das Kind ihren Namen tragen. Frauen sind da meines Erachtens schon etwas zurückhaltender. Wenn einer der Schöpfer von etwas ist, dann weiß er ja auch im allgemeinen, wovon er der Schöpfer ist – sollte man meinen.

Aber die zeugenden Väter wissen nicht, wovon sie der Schöpfer sind, obwohl sie sich für die Erzeuger halten und ausgeben. Sie wissen nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird – geschweige denn den Rest.
Wer ist dann aber der Schöpfer des Kindes?
Irgend jemand muß doch der Schöpfer sein und wissen, was er schafft. Ich habe den Eindruck, daß Michelangelo hier sehr viel mehr wußte und zum Ausdruck brachte, als die meisten Menschen ahnen.

Eine Mutter, die ein unsterbliches Kind zur Welt bringt, ein Sohn, der ermordet wurde und doch lebt, der – obwohl körperlich existierend – doch für seine Mutter völlig ohne Gewicht ist: das zeigt mir eine Schau der Wirklichkeit des Lebens, die in vielfältiger Weise hohen Idealen gerecht wird.
Aus diesem Grunde bat ich – wenn es um das ideale Weibliche geht – dieses Bild der Maria zu verwenden.

Diese Wirklichkeit – wie Michelangelo sie in seiner Pieta zum Ausdruck gebracht hat – bemühte ich mich auch in den „Hymnen der Dome“ auszudrücken, wobei dann die etwas lauteren Zwischenteile immer an jene ignorante Sicht von Menschen erinnern, die sich in ihrem engen, begrenzten Verständnis von der Schöpfung einbilden, es wäre möglich gewesen, Christus zu töten und dadurch seiner Mutter Leid zuzufügen.

Interessant ist auch der Name „Maria“, denn er bedeutet ursprünglich „kosmisches Denkvermögen und universelle Schöpferkraft“, und wer sein Denken ausweitet, der kann in seinem Innern diesen Namen immer deutlicher hören.

Ich hoffe, daß die „Kunst des Weiblichen“ und die „Hymnen der Dome“ dem Anspruch und der Sicht Michelangelos gerecht werden.

Die zentrale Thematik bei den „Hymnen der Dome“ stammt aus der „Kunst des Weiblichen“. So habe ich die „Kunst des Weiblichen“ dann auch für Orgel bearbeitet und diesen Bearbeitungen den Namen „Voice of the Domes“ gegeben.

Interessant ist, daß man dieselbe Sicht der Welt bzw. gegenüber dem Leben, wie wir sie bei Michelangelo vorfinden und wahrscheinlich auch zumindest bei den Obersten der katholischen Kirche – denn sonst wäre das Bildnis ja nicht im Petersdom – auch in der Bhagavad Gita wiederfinden.

Hier haben wir Krishna, den in sich Ruhenden, Vollbewußten, nicht Tätigen, und Arjuna, seinen Schüler, der dessen Unsterblichkeit erkennt.

Peter Hübner - The Art of the Feminine Krishna symbolisiert die unsterbliche Seele wie Christus und Arjuna charakterisiert das kosmisch entfaltete Er­kennt­nis­ver­mö­gen, das sich schließlich durch die Wirrnisse des tobenden Weltgeschehens nicht mehr täuschen läßt.

Insofern sehe ich in der Pieta Michelangelos eine vollkommene, überragende Darstellung jenes Phänomens des Yoga: besser, überzeugender, verständlicher, als ich es jemals in Asien als Bild gesehen habe.

Würde mich jemand bitten, den Yoga und seine Prinzipien optimal darzustellen, so würde ich hierzu das Bild der Pieta wählen – wobei das wirkliche Verständnis natürlich erst entsteht, wenn man die ganze Geschichte kennt: von der Mutter und dem ermordeten Sohn und die verschiedenen schon erläuterten Erkenntnisgrade dieses Sachverhaltes – ausgehend vom ermordeten Sohn und der leidenden Mutter bis hin zum unsterblichen Sohn und der deshalb nicht leidenden Mutter.

Der Weg des Yoga ist gerade der Weg von der Ignoranz zum Wissen gegenüber diesem Sachverhalt.

Ich habe den Yoga erlernt, ich bin hierfür auch lange in Asien in den Himalajas gewesen, und ich praktiziere den Yoga – ich habe ihn Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre Tausende gelehrt, und ich weiß, wovon ich spreche.

Es gibt in unterschiedlichen Kulturen und Religionen viele Darstellungen von Göttinnen der Weisheit. Wenn ich diese Bilder sehe, dann weiß ich nicht, wovon ich auf „Weisheit“ schließen soll. Es ist mir nicht möglich, dem Gedanken zu folgen, daß es sich da um die Darstellung einer weisen Frau handelt.

Wenn ich aber die Maria sehe, wie sie Michelangelo dargestellt hat, und die Hintergrundgeschichte kenne, dann läßt sich ihr stressfreies jugendliches Aussehen nur so erklären, daß sie weise sein muß; denn sonst würde sie gramgebeugt aussehen, wie dies ja auch bei vielen Bildern der Maria in der Welt, von ignoranten Künstlern geschaffen, der Fall ist – wo sich deren Schöpfer allen Ernstes einbilden, jene Römer wären in der Lage gewesen, Gottes Sohn zu ermorden und seine Mutter ins Unglück zu stürzen.

Es ist sicherlich das Entsetzlichste, das überhaupt in der Welt passieren kann, daß einer Mutter der Sohn ermordet wird – es gibt nichts Schlimmeres. Wenn sie dann aber nicht leidet, ist sie entweder völlig gefühl- oder gewissenlos, oder sie ist weise und weiß um die Unsterblichkeit.

Dieses Bild der Maria hat eine außerordentlich meditative Wirkung – es lohnt sich, sie anzusehen, dann die Augen zu schließen und in sich zu gehen, es sich zu verinnerlichen und zu lernen, die Welt mit den Augen dieser Frau zu sehen.

Deshalb habe ich dem Verlag auch für das Label „Peace of Mind“ betr. spirituelle Musik jenes Bild der Maria empfohlen.