Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Der mittlere Erkenntnisring im Lichte der Sonne

Die Geschicklichkeit des Weisen
in seiner Machtausübung


Nun ist es jedoch alt­her­ge­brach­te Kö­nigs­pflicht, daß der Herr­scher al­le ihm nur ver­füg­ba­ren Mit­tel für den Fort­schritt sei­nes Vol­kes und für das Glück ei­nes je­den ein­zel­nen Bür­gers ein­setzt.

Hier­zu be­dient sich der Kö­nig all des­sen, was in sei­nem Macht­be­reich über­haupt ver­füg­bar ist.

Ist et­was für das Er­rei­chen die­ser ho­hen Zie­le nicht ver­füg­bar, so hat der Kö­nig die Pflicht, sich die Mit­tel zur Er­fül­lung sei­ner Auf­ga­be zu ver­schaf­fen – ohne da­bei je­doch Schuld auf sich und al­les Volk zu la­den.

Des­halb ste­hen ei­nem Kö­nig in sei­nem Rei­che nach ur­al­tem Ge­setz zur Er­fül­lung sei­ner kö­nig­li­chen Pflich­ten auch al­le Mit­tel ganz selbst­ver­ständ­lich zur Ver­fü­gung – und hier­bei gibt es kei­ne Aus­nah­me.

Wird dem Herr­scher ir­gend­ein Mit­tel ver­wei­gert, wel­ches den Fort­schritt sei­nes Vol­kes för­dern könn­te, so ist er ver­pflich­tet, die­ses Mit­tel nö­ti­gen­falls auch ohne Zu­stim­mung des ver­meint­li­chen Ei­gen­tü­mers an sich zu rei­ßen; denn hier geht es nicht um ir­gend­wel­che Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se, son­dern um das, was dem gan­zen Vol­ke nützt.

Der Nut­zen sei­nes Vol­kes hat al­so Vor­rang bei al­len Über­le­gun­gen ei­nes wirk­li­chen Kö­nigs.

Nun fol­gert Helgi ganz rich­tig: „Was nützt ei­nem Wei­sen wie Se­her­mund ei­ne sol­che Kuh? Für ihn selbst si­cher­lich gar nichts; und wenn man sie für das Wohl des Vol­kes ein­setzt, dann ist der Kö­nig die rich­ti­ge In­stanz!“

Au­ßer­dem ha­ben ja al­le Söh­ne des Kö­nigs und auch die Sol­da­ten die Wunsch­kuh ge­se­hen, und es ist ih­nen al­len klar, daß die­ses hei­li­ge Tier dem Wohl al­ler die­nen kann und des­halb auch da­für ein­ge­setzt wer­den muß – und zwar um­fas­sen­der als nur für das Auf­ti­schen von Spei­sen und Ge­trän­ken.

Ei­ne sol­che Kuh kann dem Kö­nig vie­le Über­le­gun­gen er­spa­ren – wo­durch er wie­der Zeit ge­winnt für an­de­re wich­ti­ge Auf­ga­ben in sei­nem Reich.

Will nun der Kö­nig vor sei­nen Ge­treu­en nicht das Ge­sicht sei­ner Kö­nigs­herr­schaft ver­lie­ren, dann ist er al­so ver­pflich­tet, Se­her­mund nach der Wunsch­kuh zu fra­gen – nicht, um sich per­sön­lich zu be­rei­chern oder ganz per­sön­li­che Vor­tei­le zu ver­schaf­fen: nein, ein Kö­nig ist ver­pflich­tet, al­le sei­ne Zeit so nutz­brin­gend wie ir­gend mög­lich zum Woh­le de­rer, die ihm an­ver­traut sind, ein­zu­set­zen.

All­zu­ger­ne wür­de der Kö­nig per­sön­lich auf die­se Fra­ge nach der Kuh ver­zich­ten; aber nun ist er als Staats­mann kraft sei­nes Am­tes da­zu ver­pflich­tet – ein je­der sei­ner Ge­folgs­leu­te ist aus­rei­chend über de­ren wun­der­ba­re Mög­lich­kei­ten in­for­miert; und der Kö­nig darf hier bei sei­ner For­de­rung kei­nen Schritt zu­rück­wei­chen.

Au­ßer­dem kann – von Helgi aus ge­se­hen – dem gro­ßen Wei­sen Se­her­mund durch den Ver­lust der Wunsch­kuh gar kein per­sön­li­cher Scha­den ent­ste­hen, da ja ein Wei­ser vom We­sen der Weis­heit her ja schon al­les, des­sen er be­dür­fen wür­de, in Fül­le hat.

Se­her­mund hat den Kö­nig in die­se Ver­le­gen­heit hin­ein­ge­bracht, denn er hat all dies her­bei­ge­führt.

Wä­re der Kö­nig erst gar nicht in die Nä­he der Ein­sie­de­lei ge­kom­men, so hät­te er wohl noch Ein­fluß neh­men kön­nen, in­dem er da­mit die­ser Fra­ge nach der Wunsch­kuh ein­fach aus­ge­wi­chen wä­re.

Aber nun bleibt ihm kei­ne Wahl mehr; von An­fang an ist er von dem Hei­li­gen mit si­che­rem Griff erst an sei­ner ei­ge­nen Pflicht­ver­let­zung und schließ­lich noch ein­mal um so fes­ter an sei­ner Pflicht­er­fül­lung als Kö­nig ge­fan­gen wor­den; und so kann sich der Kö­nig nun nach kei­ner Sei­te hin mehr frei be­we­gen; der Be­herr­scher der Er­de ist dem gött­li­chen Wei­sen und des­sen Plä­nen voll­stän­dig aus­ge­lie­fert.

Was nüt­zen dem Kö­nig da al­le höf­li­chen Wor­te und al­le noch so gro­ßen An­ge­bo­te, die Kuh frei­zu­kau­fen: nach dem Wil­len Se­her­munds muß der mäch­ti­ge Herr­scher der Welt die Kuh des Ein­sied­lers nun mit Ge­walt ent­füh­ren, denn der Hei­li­ge läßt nicht mit sich han­deln – ei­ne Ei­gen­schaft, wel­che üb­ri­gens al­le gro­ßen Wei­sen aus­zeich­net, näm­lich, daß sie in ih­rem ei­ge­nen Wol­len und Tun frei und un­be­stech­lich sind.

Kaum ist die Kuh ent­führt, da reißt sie sich los und läuft zu dem hei­li­gen Mann hin: „Hast du mich weg­ge­ge­ben?“ fragt sie ihn ängst­lich.

„Nein, Sawala, ich ha­be dich nicht weg­ge­ge­ben. Du hast mir kein Leid ge­tan“, ant­wor­tet Se­her­mund be­sorgt. „Der Kö­nig nimmt dich mit Ge­walt von mir.

Mei­ne Kraft ist sei­ner Macht nicht ge­wach­sen. Sieh, er hat Ele­fan­ten, Pfer­de, Kampf­wa­gen und ei­ne rie­si­ge Ar­mee. Er ist ein Krie­ger und ein Be­herr­scher der Er­de. Dar­über hin­aus ist er mein Gast, und es ist nicht recht, das Gast­recht zu ver­let­zen.“










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