
PETER HÜBNER · DIE INSEL DES GLÜCKS
~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~
nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm
Das gerechte Erkennen der Macht
Er war noch nicht weit gegangen, da sah er seinen Rivalen daherkommen. Dieser trug einen ganzen Mischwald auf dem Kopf. „Das ist wirklich ein würdiger Gegner“, dachte er bei sich.
Und er wandte sich an den Rivalen mit den Worten: „Ich habe von deinem Ruf vernommen und bin aus meinem Lande hierhergekommen, um mit dir zu kämpfen. Wollen wir eine Runde austragen?“
„Aber gewiß“, erwiderte der andere. „Nur, komm bitte mit in die Stadt, denn hier ist niemand, der den Schiedsrichter machen kann.“
„Aber ich bin so in Eile, wieder nach Hause zu kommen“, erwiderte der erste. „Laß uns also hier und sofort kämpfen. Was einen Richter anbetrifft: sieh, da trottet gerade eine alte Frau vorüber. Ich werde sie bitten, zuzuschauen und dann den Kampf zu beurteilen.“
So begab er sich zu der Alten und sagte: „O Mutter, bleib einen Augenblick stehen und schau dir unseren Kampf an!“
„Das kann ich nicht, mein Sohn, das kann ich nicht“, erwiderte die alte Frau, „denn meine Tochter hat mir alle Ochsen und Kühe gestohlen, und ich muß laufen, um sie einzuholen. Aber wenn es euch Spaß macht, auf meiner Handfläche zu kämpfen, so werde ich mir euren Wettkampf betrachten, während ich weitergehe.“
Die beiden Ringer sprangen der Alten mitsamt dem Elefanten und dem Wald auf die Hand, und begannen dann, sich gegenseitig zu packen. Dabei eilte die Frau weiter über Felder und Flüsse.
Als die Tochter der Alten die Mutter von ferne sah, war sie zuerst sehr erschrocken. Sie dachte, daß die Mutter Soldaten gebracht hätte, um sie einzufangen.
Als sie aber sah, daß die Mutter nur zwei Ringer mit sich führte, langte sie mit kühnem Griff nach der Mutter und den Ringern.
Mit dem Elefanten, dem Wald und den drei Millionen Kühen und sechzigtausend Ochsen, die sie mit sich trieb, schnürte sie alles in ein Bündel zusammen.
Das Bündel aber legte sie sich auf den Kopf und eilte weiter.
Einer der Ochsen war jedoch hungrig. Er steckte daher den Kopf aus dem Bündel und muhte.
Da riß die Tochter der Alten zwei Birnbäume vom Rand des Weges aus und steckte sie dem Ochsen als Nahrung in das Maul.
Nun gehörten das Feld und die Bäume einem Bauern, dessen kleiner Sohn gerade in die Stadt gehen wollte, um Eier auf dem Markt zu verkaufen.
Der kleine Junge sah, wie die Tochter der Alten die Birnbäume ausriß, und wurde jetzt sehr zornig.
Er ergriff die eine Ecke des Feldes und zog daran. Die Tochter der Alten, die gerade das Feld überquerte, stolperte und fiel. Aber bevor sie sich wieder erheben konnte, hatte der Kleine das Feld wie einen Teppich zusammengerollt, mit der Tochter der Alten und ihrem Bündel darinnen.
Die Rolle nahm er unter den Arm und ging weiter auf dem Wege in die Stadt.
Darüber war der Junge sehr hungrig geworden, so daß er, kaum in der Stadt angekommen, einen Bäckerladen packte und sich ganz in den Mund stopfte.
Als die Städter sich darüber entsetzten, ergriff er die ganze Stadt und steckte sie in seinen Korb.