Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Das gerechte Erkennen der Macht


Nun gab es aber kei­ne Stadt mehr, in wel­cher der klei­ne Jun­ge sei­ne Eier ver­kau­fen konn­te. So ging er lang­sam wie­der in sein Dorf zu­rück.
Doch er war noch nicht weit ge­gan­gen, als er schon wie­der Hun­ger ver­spür­te.
So brach er die Eier oben auf und trank sie aus. Da­bei kam ihm ein gu­ter Ge­dan­ke.

Er nahm das auf­ge­roll­te Feld mit der Toch­ter der Al­ten und ih­rem Bün­del dar­in und steck­te al­les zu­sam­men in die lee­re Scha­le ei­nes Eies. Die­se trug er zum Ufer ei­nes Flus­ses und ließ sie be­hut­sam schwim­men.

Die Eier­scha­le tanz­te auf dem Fluß und wur­de im­mer wei­ter und end­lich bis ins Meer ge­tra­gen.
So reis­te die Eier­scha­le Tau­sen­de von Mei­len, bis end­lich ei­ne mäch­ti­ge Wo­ge die Scha­le ge­gen ei­ne In­sel schlug und sie an den Fel­sen zer­schmet­ter­te.

Das auf­ge­roll­te Feld kam aus der Scha­le und ent­roll­te sich so­gleich wie­der. Es ließ die Toch­ter der Al­ten und ihr Bün­del frei. Und aus dem Bün­del kam die al­te Frau her­aus, und die bei­den Jo­wa­ne kämpf­ten im­mer noch auf ih­rer Hand­flä­che. Und auch der Ele­fant und der Wald und die drei Mil­li­o­nen Kü­he und die sech­zig­tau­send Och­sen ge­lang­ten ins Freie.
Und ein je­der von ih­nen ging so­fort wie­der wei­ter der Ver­wirk­li­chung sei­ner be­grenz­ten Zie­le nach.“

Nach die­sen letz­ten Wor­ten flog die Eule von ih­rem Ast her­ab ins blu­men­ge­schmück­te Gras und nahm ih­re wah­re Ge­stalt an.

Mani stock­te der Atem, denn sie er­kann­te sie als ih­re Groß­mut­ter. Und die Be­ge­ben­heit des Man­nes mit dem gol­de­nen Bart war – des­sen war sich Mani jetzt auch si­cher – die Ge­schich­te ih­res Groß­va­ters und ih­res Va­ters so­wie ih­res Groß­va­ters müt­ter­li­cher­seits. Mani wuß­te wohl, daß ihr Va­ter schon ei­nen sehr aben­teu­er­li­chen Wer­de­gang hin­ter sich hat­te, be­vor er Kö­nig der Meer­män­ner wur­de, doch er hat­te nie dar­über ge­spro­chen – wie auch die Wei­sen nie­mals über sich selbst spre­chen.

Und auch die Groß­mut­ter, die ja die Kö­ni­gin war, die ih­ren Sohn nach lan­ger Ab­we­sen­heit wie­der glück­lich in die Arme ge­schlos­sen hat­te, hät­te sich wohl zu der Ge­schich­te ih­rer ei­ge­nen Fa­mi­lie kaum ge­äu­ßert, wenn sie nicht hier in ih­rem Amt dar­um ge­be­ten wor­den wä­re; denn die An­we­sen­den hat­ten die Be­ge­ben­heit ja er­zählt und um die Er­klä­rung ge­be­ten.

Dies al­les ging Mani blitz­schnell durch den Sinn, und so­fort kam ihr da auch der Ge­dan­ke an ih­re Ge­fähr­tin­nen, die sie auf ih­rer Rei­se zu ih­rem Bru­der Sol auf dem Schiff be­glei­tet hat­ten, und sie fühl­te in sich den Wunsch und die Ver­pflich­tung, sie auch auf die­se In­sel des Glücks mit­zu­neh­men; denn hat­te nicht ge­ra­de auch ihr Groß­va­ter al­les un­ter­nom­men, um die Bür­ger sei­nes Lan­des zu hö­he­rer Voll­en­dung zu füh­ren?

Mani er­kann­te nun auch, daß sie selbst wie­der­um die Toch­ter des Kö­nigs­soh­nes und der Prin­zes­sin war, die in ei­ner Nacht ge­bo­ren wor­den war und so­gleich mu­si­zie­ren und in al­len Spra­chen re­den konn­te.
Sie war froh, auf die­se Wei­se auch et­was mehr über ih­re ei­ge­ne Ge­schich­te zu er­fah­ren.

Und als nun die Groß­mut­ter auf Mani zukam, die ganz be­trof­fen und be­we­gungs­los – wie fest­ge­wur­zelt – am Ran­de der Lich­tung stand, und ihr herz­lich zu­wink­te, da lös­te sich ih­re stau­nen­de Schüch­tern­heit, und freu­dig schritt sie ihr ent­ge­gen.

Nach der lie­be­vol­len Be­grü­ßung blick­te Mani zu den jun­gen Mäd­chen hin, wel­che bis­her mit dem Rü­cken zu ihr ge­ses­sen hat­ten und die sich nun auch von ih­ren bun­ten Mat­ten er­ho­ben.

Wie war sie da er­staunt und be­glückt, auf ein­mal ih­re ei­ge­nen Rei­se­ge­fähr­tin­nen zu er­ken­nen, die dem­nach – ohne ihr Wis­sen – schon längst hier auf der In­sel des Glücks in der Aus­bil­dung stan­den und of­fen­sicht­lich auch schon ih­ren Va­ter auf des­sen aben­teu­er­li­cher Rei­se be­glei­tet hat­ten.

Doch nun woll­te Mani noch ger­ne wis­sen, wer denn ei­gent­lich die bei­den ver­ab­schie­de­ten Sol­da­ten ge­we­sen wa­ren, wer die drei Vo­gel­kö­ni­ge, die Wild­tau­be, die Wild­en­te und der Storch, und wer die gol­de­nen Wid­der, Scha­fe und Läm­mer ge­we­sen wa­ren und schließ­lich noch die zwölf gol­de­nen Stie­re, Kü­he und Käl­ber.

Und Mani lern­te vie­le aus der Grup­pe ih­rer ei­ge­nen Rei­se­ge­fähr­tin­nen ken­nen und ahn­te nun, daß auch ihr ei­ge­ner Va­ter mit ihr, Mani, of­fen­sicht­lich solch ei­nen Ent­wick­lungs­gang ge­plant hat­te wie schon ihr Groß­va­ter mit dem Va­ter, und sie war ge­spannt, wie es nun mit ihr wei­ter­gin­ge.

Schließ­lich ver­ab­schie­de­ten sich die bei­den Ge­schwis­ter von ih­rer ver­ehr­ten Groß­mut­ter und von Mani‘s vie­len Rei­se­ge­fähr­tin­nen, wel­che al­le die bei­den noch ein Stück des Wegs be­glei­te­ten, und zo­gen be­glück­ten Sin­nes wei­ter den Berg hinan.










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