Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Das gerechte Erkennen der Macht

Die Macht der Gewohnheit


Je­der­man im Rei­che hat­te sich da­ran ge­wöhnt, daß er selbst aus die­sem un­ver­sieg­ba­ren Quell sei­ne Milch schöp­fen konn­te, und die Leu­te tran­ken nach den vie­len Jah­ren der Ge­wohn­heit die be­son­de­re Milch schon fast wie ge­wöhn­li­ches Was­ser – be­son­ders, da ja das Schöp­fen nichts kos­te­te und der Brun­nen für je­der­mann zu je­der Zeit zu­gäng­lich war, ohne daß man ir­gend­wen hät­te fra­gen müs­sen.

So ge­riet, in­des­sen sich über lan­ge Zei­ten jung und alt an dem Quell des Kö­nigs lab­te, der näh­ren­de Milch­as­pekt die­ser be­son­de­ren Flüs­sig­keit in den Hin­ter­grund, und die er­fri­schen­de Ei­gen­schaft des spru­deln­den Was­sers über­wog in den Ge­mü­tern der Trin­ken­den.

Sie be­nutz­ten den wohl­schme­cken­den Trunk, da­mit sie sich rich­tig er­frisch­ten; ,und je­der muß ja auch trin­ken‘, so über­leg­ten sie, ,war­um dann nicht gleich das gu­te Was­ser des kö­nig­li­chen Brun­nens?‘

So tran­ken die Men­schen all­mäh­lich nur noch mit ih­rem Ver­stan­de von dem Brun­nen, und der Ver­stand schick­te sie auch im­mer wie­der, das Was­ser zu schöp­fen.

Doch in dem Ge­fühl der Men­schen schlos­sen sich die frü­her noch so trink­be­gie­ri­gen, gol­de­nen Mün­der, da die Ge­sin­nung und der Geist der Trin­ken­den den Wert des kö­nig­li­chen Ge­tränks nicht mehr ein­zu­schät­zen ver­moch­ten.

Der Kö­nig war für je­den so nah und so ge­wohnt, und so, wie man, wenn man vor dem ein­zel­nen Baum steht, den gan­zen Wald nicht über­blickt und das Zu­sam­men­wir­ken al­ler Kräf­te des Wal­des nicht ein­mal mehr ahnt, so ahn­ten die Men­schen, wenn sie täg­lich ganz in der Nä­he des wei­sen Kö­nigs leb­ten – oder all­täg­lich an dem im­mer ganz leicht zu­gäng­li­chen Brun­nen schöpf­ten – auch nichts mehr von der Weis­heit des Kö­nigs und von des­sen wirk­li­cher Macht, wel­che ganz na­tür­lich aus sei­ner Weis­heit ent­sprang und die sich in dem Quell äu­ßer­te.

So war der Kö­nig im Lau­fe der vie­len Jah­re sei­ner Herr­schaft zwar der ge­lieb­te Va­ter des Soh­nes, der ge­treue Ehe­mann sei­ner Ge­mah­lin und der ge­schick­te, klu­ge Be­ra­ter sei­ner Mi­nis­ter ge­wor­den; sie al­le lieb­ten ihn und schätz­ten sei­nen wei­sen Rat; aber al­le die na­hen Ver­trau­ten sei­nes kö­nig­li­chen All­tags ka­men nie auf die Idee, daß ihr Kö­nig ih­nen auch noch zu­sätz­li­che, un­er­meß­li­che Reich­tü­mer ver­schaf­fen könn­te.

Und daß auch der Brun­nen im Pa­last­gar­ten Wun­der­ba­res hät­te wir­ken kön­nen, dies er­war­te­te der Bür­ger auch nicht, und er be­nutz­te ihn wie ei­nen bes­se­ren Was­ser­brun­nen – von selbst­ver­ständ­lich her­vor­ra­gen­dem Ge­schmack.

Des­halb sah sich der Kö­nig nun – nach­dem sein Sohn zu ei­nem ver­stän­di­gen Kna­ben he­ran­ge­wach­sen war – ver­pflich­tet, in sei­nem gan­zen Reich die Wahr­heit wie­der auf­le­ben zu las­sen, wie er dies schon öf­ters ge­tan hat­te, und so zog er sich erst ein­mal of­fi­zi­ell von sei­nen Re­gie­rungs­ge­schäf­ten zu­rück und über­ließ das Reich und al­le Zu­rück­ge­blie­be­nen sich selbst.










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