
PETER HÜBNER · DIE INSEL DES GLÜCKS
~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~
nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm
Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart
Als das vorbereitende Hauptbrautgeschenk im Reiche des Königssohnes eingetroffen war, da hatten die zwölf goldenen Stiere sofort begonnen, das ganze Reich umzupflügen, und überall, wo sie ihre Hörner tief in die Erde gegraben hatten, dort waren solche Wunderbrunnen entsprungen, wie es den einen im Palastgarten gab, und Milch floß bald in jedem Garten und auf jedem Hof.
Nun ging der Königssohn zum dritten Male in den Wald. Was hatte der Mann mit dem goldenen Bart noch damals zu ihm gesagt? „Meine Macht ist groß, größer als du denkst, und Gold, Silber und Edelsteine habe ich im Überfluß.“
Und als sich der Königssohn diese Worte des Meisters noch einmal durch den Sinn gehen ließ, da wurde er wieder etwas zuversichtlicher.
„Komm mit mir zu meinem Brunnen“, sagte der goldbärtige Mann, nachdem ihm der Königssohn wieder alles berichtet hatte, „dort werden wir alles das erhalten und noch viel mehr; denn darauf ist der Brunnen eingestellt.“ Und als sie so durch den Wald schritten und der Königssohn einmal von der Seite einen Blick zu dem Mann mit dem goldenen Bart warf, da hätte er schwören wollen, daß dieser aussah wie sein Vater; doch wurde er schnell von diesem Gedanken abgelenkt, denn nun langten sie am Brunnen an.
Der Mann ging zu dem Brunnen hin und sprach mit ihm wie mit einem Menschen. Der Königssohn konnte nicht verstehen, was er sagte, denn der Mann raunte sehr, sehr leise mit dem Brunnen.
Schließlich drehte er sich um und kam auf den Prinzen zu. „So, mein Sohn, dies ist jetzt wohl die vorläufig letzte Wegstrecke einer sehr langen Reise, die du gemacht hast, und ich möchte dir alles das mit auf den Weg geben, was du für dein weiteres Wohlergehen brauchst und für das Wohl derer, die dir Vertrauen schenken.“
Jetzt trat aus dem Brunnen ein herrliches, weißes Pferd mit goldenem Sattel und edelsteinverziertem Zaum heraus.
Voll wachem Unternehmungsgeist blickte es den Mann mit dem goldenen Bart an, so als grüßte es ihn ehrfurchtsvoll, und dann sah es auch den Königssohn freundlich an.
Der Mann schritt auf das wunderbare Pferd zu, nahm es mit seiner Hand bei den Zügeln und führte es zum Königssohn hin.
„Dieses Pferd ist kein gewöhnliches Pferd. Es besitzt alle Eigenschaften der Klugheit, und du kannst mit ihm sprechen wie mit einem weisen Menschen.
Außerdem ist es in der Lage, über Wasser zu laufen, aber auch die Tiefen der Gewässer zu durchpflügen und auch durch die Luft zu reisen, denn es ist aus dem Wasser geboren. Mit diesem Pferd wirst du gleichzeitig Herrscher über das mächtige Volk der Meermänner, welches am westlichen Ufer des Weltmeeres lebt.
Das Pferd wird dich auf deinen Wunsch geschwind dahintragen und dich in das Reich einführen. Wenn du mich sprechen möchtest, so brauchst du nicht mehr in den Wald zu gehen und mich zu rufen.
Teile diesen Wunsch dem Pferde mit, und es wird dich zu mir führen, denn es weiß, wo ich zu finden bin.
Halte dieses Pferd in Ehren und behandle es wie einen Freund und mächtigen Berater, denn das hat es verdient!“ Und so überreichte er dem Königssohn die Zügel, und gemeinsam gingen sie zum Waldrand hin.
Als sich der Prinz aber einmal umdrehte, da sah er eine unermeßliche, geschmückte, endlose Karawane aus dem Brunnen steigen und ihnen schweigend folgen.
Er dachte, er sehe nicht recht oder er träume, und drehte sich schnell wieder um.
Am Waldrand nun verabschiedete sich der Mann mit dem goldenen Bart, wünschte dem Königssohn alles Gute und bedeutete ihm, auf das Pferd zu steigen.
Der Königssohn verneigte sich noch einmal tief vor dem großen, mächtigen Mann, saß auf und ritt mit einem weinenden und einem lachenden Auge in die Ebene. Und ihm folgte die unermeßliche Karawane mit Pauken und Trompeten und mit allen Edelsteinen, allem Gold und Silber der Welt.