Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart


So oder ähn­lich dach­te fast ein je­der der treu­en Mi­nis­ter, und des­halb schau­ten sie mit ge­spann­ten Ge­sich­tern wie­der zu den bei­den Ge­sand­ten hin.

„Ho­he Her­ren“, fuh­ren die bei­den Sol­da­ten al­so fort, „der Herr Prinz bit­tet Euch, sei­nem Schwie­ger­va­ter erst ein­mal als ein­lei­ten­des Braut­ge­schenk zwölf gol­de­ne Wid­der mit zwölf gol­de­nen Mut­ter­scha­fen und zwölf gol­de­nen Läm­mern ab­zu­ver­lan­gen; die­se For­de­rung soll in sei­nem Schwie­ger­va­ter zu­nächst ein Ge­fühl von dem un­er­meß­li­chen Reich­tum sei­nes Schwie­ger­soh­nes und von des­sen Lan­des Wohl­stand er­öff­nen.“

Da zuck­ten die Mi­nis­ter zu­sam­men: als ein­lei­ten­des Braut­ge­schenk – nur so zur Er­öff­nung ei­nes gro­ßen Ge­schenk­re­gens: zwölf gol­de­ne Wid­der mit zwölf gol­de­nen Mut­ter­scha­fen und zwölf gol­de­nen Läm­mern!

Der­ar­ti­ges hat­ten die ge­plag­ten Mi­nis­ter wahr­lich lan­ge nicht mehr zu Ge­sich­te be­kom­men – wenn sie sich‘s ge­nau über­leg­ten, ei­gent­lich noch nie.

Die­ser Kö­nig, wer er auch sei, muß­te un­er­meß­lich reich sein, wenn der Prinz sich ver­pflich­tet sah, sol­che For­de­run­gen zu stel­len; „als ein­lei­ten­des Braut­ge­schenk“ – solch ei­nen Na­men oder Aus­druck hat­ten sie auch noch nie ge­hört.
Über die Be­haup­tung mit dem un­er­meß­li­chen Reich­tum ih­res Lan­des woll­ten sie gar nicht erst nach­den­ken.

Und was folg­te nun? So schau­ten sie wie­der vol­ler Er­war­tung auf die bei­den Ge­sand­ten.
„Ho­he Her­ren“, fuh­ren die bei­den Sol­da­ten al­so wie­der fort, „der Herr Prinz bit­tet Euch, nach Ein­tref­fen des ein­lei­ten­den Braut­ge­schenks der zwölf gol­de­nen Wid­der mit den zwölf gol­de­nen Mut­ter­scha­fen und den zwölf gol­de­nen Läm­mern sei­nem Schwie­ger­va­ter als vor­be­rei­ten­des Haupt­braut­ge­schenk erst noch ein­mal zwölf gol­de­ne Stie­re mit zwölf gol­de­nen Kü­hen und zwölf gol­de­nen Käl­bern ab­zu­ver­lan­gen, da­mit der Kö­nig in sei­nem Ge­fühl von dem un­er­meß­li­chen Reich­tum sei­nes Schwie­ger­soh­nes, des Prin­zen, ge­stärkt wer­de.“

Da zuck­ten die ver­sam­mel­ten Mi­nis­ter wie­der nur so zu­sam­men.

Im Rats­saa­le stand für kur­ze Zeit die Luft still; al­le hat­ten den Atem an­ge­hal­ten; ja selbst die Uhren, je­ne sonst so un­be­stech­li­chen An­trei­ber und un­trüg­li­chen Zeu­gen der Sit­zun­gen, hör­ten für die­se wich­ti­ge Zeit auf, das Un­um­gäng­li­che zu mes­sen, und stan­den still: „Als vor­be­rei­ten­des Haupt­braut­ge­schenk: zwölf gol­de­ne Stie­re – da­zu noch ein­mal zwölf gol­de­ne Kü­he – und dann noch die zwölf gol­de­nen Käl­ber!

Ja, wie soll denn dann das Haupt­ge­schenk der Braut aus­se­hen?
Der Prinz weiß wirk­lich, was er will – das muß man ihm las­sen; als vor­be­rei­ten­des Braut­haupt­ge­schenk oder Haupt­braut­ge­schenk – na, das kommt ja letzt­lich auf das glei­che her­aus!“

So dach­ten die Mi­nis­ter bei sich, und gänz­lich er­frischt schau­ten sie nun wie­der vol­ler Er­war­tung auf die bei­den Ge­sand­ten.

„Ho­he Her­ren“, fuh­ren die bei­den Sol­da­ten nun wie­der fort, „der Herr Prinz Eu­res Lan­des bit­tet Euch gü­tigst, als Haupt­braut­ge­schenk“ – und da hiel­ten die bei­den Re­fe­ren­ten erst ein­mal in­ne und blick­ten sich um wie gro­ße Hel­den nach schon wie­der ge­won­ne­ner Schlacht – und da stand auch wie­der al­les stil­le, und kein Luft­hauch rühr­te sich im gan­zen Rund – „als Haupt­braut­ge­schenk“, lasen ih­nen die Mi­nis­ter wie­der von ih­ren wohl­tö­nen­den, fast schon wie das reins­te Gold glän­zen­den Lip­pen ab, „aber auch in An­er­ken­nung Ih­res, hoch­ver­ehr­te Her­ren Mi­nis­ter, ge­schätz­ten Be­mü­hens um das Wohl des Lan­des – wäh­rend der Ab­we­sen­heit Sei­ner Durch­laucht, des Prin­zen – und in An­er­ken­nung Ih­rer eben­da er­brach­ten, viel­fäl­ti­gen Leis­tun­gen in den ein­zel­nen Mi­nis­te­rien mit al­len ih­ren Un­ter­glie­de­run­gen“ – jetzt wur­de es im Saa­le plötz­lich ganz heiß und kalt, so als wenn Som­mer und Win­ter ge­mein­sam ein­mar­schier­ten – „noch ein­mal sei­nem Schwie­ger­va­ter: Gold, Sil­ber und Edel­stei­ne in sol­cher Men­ge ab­zu­ver­lan­gen, wie zwölf­tau­send Ele­fan­ten, fünf­zig­tau­send Ka­me­le, sieb­zig­tau­send Esel und ein­hun­dert­und­acht­tau­send Pfer­de nicht – tra­gen kön­nen, ohne für den Trans­port die­ses ge­for­der­ten Braut­haupt­ge­schen­kes noch die Hil­fe von ei­gens da­für ge­bau­ten Ma­schi­nen in An­spruch zu neh­men; wir wie­der­ho­len noch ein­mal:

Gold, Sil­ber und Edel­stei­ne in sol­cher Men­ge, wie zwölf­tau­send Ele­fan­ten, fünf­zig­tau­send Ka­me­le, sieb­zig­tau­send Esel und ein­hun­dert­und­acht­tau­send Pfer­de nicht – wir sag­ten: nicht – tra­gen kön­nen, ohne die Hil­fe von ei­gens für den Trans­port des Braut­haupt­ge­schen­kes noch ge­bau­ter Ma­schi­nen in An­spruch zu neh­men.“

Da be­schlos­sen die Mi­nis­ter so­fort, die bei­den Ge­sand­ten in ho­he Äm­ter ein­zu­set­zen und in höchs­ten Eh­ren zu hal­ten.

„Um ei­ne Klei­nig­keit“, schlos­sen die bei­den Sol­da­ten ih­ren Be­richt, „ei­ne gan­ze Klei­nig­keit von un­be­deu­ten­dem Wert – so­zu­sa­gen aus ganz per­sön­li­chem, mensch­li­chen In­te­res­se –, bit­tet Euch, ed­le Her­ren, sei­ne Durch­laucht, der Prinz noch – da­mit er bei sei­nem fest­li­chen Ein­zug hier gleich auch ganz voll­stän­dig an die gu­ten, al­ten Zei­ten wäh­rend der Herr­schaft des Kö­nigs er­in­nert wer­de: daß Sie die un­be­deu­ten­de Klei­nig­keit für ihn per­sön­lich ar­ran­gie­ren woll­ten, daß der Brun­nen – Sie wis­sen schon, die­ser Brun­nen auf dem Pa­last­ho­fe – wie­der al­len Men­schen glei­cher­ma­ßen un­ge­hin­dert ver­füg­bar ge­macht wer­de, da­mit sich sei­ne Milch wie­der frei in al­le Lan­de ver­brei­ten kön­ne.“










Copyright © 2018 · All Rights Reserved · PDB International, Inc. | Kontakt