
PETER HÜBNER · DIE INSEL DES GLÜCKS
~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~
nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm
Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart
Der Mann mit dem goldenen Bart kam und wußte schon, was geschehen war.
„Du hast ein Haar in den Brunnen fallen lassen“, sagte er, „ich will dirs noch einmal nachsehen; aber wenn es zum drittenmal geschieht, dann ist der Brunnen entehrt, und du kannst dann nicht länger bei mir bleiben.“
Am dritten Tag saß der Knabe am Brunnen und bewegte den Finger nicht auch wenn er ihm noch so weh tat. Aber die Zeit ward ihm lang; so betrachtete er sein Angesicht, welches ihm vom Wasserspiegel entgegenschaute.
Und als er sich dabei immer mehr beugte und sich recht in die Augen sehen wollte, da fielen ihm seine langen Haare von den Schultern herab in das Wasser.
Er richtete sich schnell in die Höhe, aber das ganze Haupthaar war schon vergoldet und glänzte wie die Sonne. Und ihr könnt euch denken, wie da der Knabe erschrak.
Er nahm ein Tuch und band es um den Kopf, damit es dem goldbärtigen Mann nicht so unmittelbar auffallen sollte.
Als dieser dann kam, wußte er jedoch schon alles und sprach: „Binde das Tuch auf!“ Da quollen die goldenen Haare hervor, und der Knabe mochte sich entschuldigen, wie er wollte.
„Du kannst nicht länger hierbleiben. Geh jetzt hinaus in die Welt, da wirst du erfahren, was du erfahren mußt. Weil du aber ein gutes Herz hast und ich es gut mit dir meine, so will ich dir eins erlauben: wenn du in Not gerätst, so geh in den Wald und rufe ,Mann mit dem goldenen Bart, dann will ich kommen und dir helfen. Meine Macht ist groß, größer als du denkst, und Gold, Silber und Edelsteine habe ich im Überfluß.“
Da verließ der Königssohn den Wald und ging über gebahnte und ungebahnte Wege immer zu. Einmal traf er auf zwei verabschiedete Soldaten.
„Wohin gehst du, Brüderchen?“ fragte der eine Soldat.
„Ich suche mir einen Dienst“, antwortete ihm der Königssohn.
„Nun, so gehe mit uns! Wir haben dasselbe Ziel.“ Sie wanderten miteinander und durchstreiften zu dritt siebenmal neun Königreiche.
Eines Tages kamen sie zu dem Palast eines Königs. Der König war gerade draußen auf dem Hof.
„Na, meine Söhne, wohin des Weges?“ fragte er sie.
„Wir suchen einen Dienst.“
„So geht nicht weiter. Ich brauche gerade jetzt zwei Kutscher und einen Gespan, damit er mir die Landarbeit beaufsichtigt. Wenn ihr euch verdingt, nehme ich euch auf.“
Sogleich verdingten sie sich der Königssohn als Gespan, die beiden verabschiedeten Soldaten als Kutscher.
Wohl hatte der junge Königssohn den beiden Soldaten so einiges von seiner abenteuerlichen Reise erzählt seine Erlebnisse mit der Taube, der Wildente und dem Storch und auch, wie er während seiner Reise im Walde den Mann mit dem goldenen Bart getroffen hatte; denn seine goldenen Haare konnte er vor den beiden Reisegefährten nicht lange verbergen, und so mußte er auch schon Erklärungen darüber abgeben.
Daß er ein Königssohn war, das hatte er ihnen jedoch verschwiegen, denn er befürchtete, daß sie es dann mit der Angst zu tun bekämen, weil er ja weggelaufen war, und daß sie ihm dann andauernd in den Ohren liegen würden, nach Hause zurückzukehren.
Nun mußte der Junge die Arbeit auf den Feldern und in den Gärten des Palastes beaufsichtigen, und oft genug bedeutete dies für ihn, daß er selbst hacken und graben, pflanzen und begießen und dabei auch noch Wind und böses Wetter über sich ergehen lassen mußte.