Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart


Auch er rühr­te das Herz des Kö­nigs­soh­nes; so tat er auch ihm nichts zu­lei­de.

„Nun, er­lauch­ter Kö­nigs­sohn“, sag­te der Storch, „für dei­ne gu­te Tat er­war­te Gu­tes! Ich wer­de dir‘s noch ver­gel­ten.“ „Du ar­mer Storch, wie könn­test du mir das ver­gel­ten?“ frag­te der Kö­nigs­sohn.

„Zwar sagt man, Kö­nigs­sohn“, sprach da der Storch, „daß Berg und Berg nie­mals zu­sam­men­tref­fen; aber ein le­ben­des We­sen kann mit ei­nem an­de­ren zu al­len Zei­ten zu­sam­men­tref­fen.“

Der Kö­nigs­sohn freu­te sich dar­über; dann ging er wei­ter.

Als er so ei­ne gan­ze Wei­le ge­wan­dert war, kam er zu ei­nem gro­ßen, un­durch­dring­li­chen Wald und ging hin­ein. In die­sem ver­irr­te er sich je­doch und konn­te so kei­nen Weg mehr fin­den.

Da sah er plötz­lich den Mann mit dem gol­de­nen Bart vor sich ste­hen. Die­ser lä­chel­te ihn freund­lich an und sprach zu ihm: „Ich weiß wohl, daß du um mei­net­we­gen dein Kö­nig­reich ver­las­sen hast, und ich will dich des­halb bei mir be­hal­ten, denn du hast mich be­freit. Wenn du al­les tust, was ich dir sa­ge, so sollst du es gut ha­ben. Schät­ze und Gold ha­be ich ge­nug, mehr als ir­gend je­mand in der Welt.“

Er mach­te dem Kna­ben ein La­ger von Moos, auf dem die­ser ein­schlief.

Am nächs­ten Mor­gen führ­te ihn der Mann zu ei­nem Brun­nen und sprach: „Siehst du, der Gold­brun­nen ist hell und klar wie Kri­stall: du sollst da­bei­sit­zen und acht­ha­ben, daß nichts hin­ein­fällt; sonst ist er ver­un­rei­nigt.
Je­den Abend kom­me ich und se­he dann, ob du mein Ge­bot be­folgt hast.“

Der Kna­be setz­te sich an den Rand des Brun­nens – sah, wie manch­mal ein gol­de­ner Fisch oder ei­ne gol­de­ne Schlan­ge sich dar­in zeig­ten und hat­te acht, daß nichts hi­nein­fiel.

Als er so dasaß, da schmerz­te ihn auf ein­mal der Fin­ger so hef­tig, daß er ihn un­will­kür­lich ins Was­ser steck­te.
Er zog ihn schnell wie­der her­aus, sah aber, daß er ganz ver­gol­det war, und wie gro­ße Mü­he er sich auch gab, das Gold wie­der ab­zu­wi­schen, es war al­les ver­geb­lich.

Abends kam der Mann mit dem gol­de­nen Bart zu­rück, sah den Kna­ben an und sprach: „Was ist mit dem Brun­nen ge­sche­hen?“ Und der klei­ne Kna­be ant­wor­te­te nichts; er blick­te im­mer nur zur Er­de nie­der und hielt sich ver­schämt den Fin­ger auf den Rü­cken, da­mit der Mann ihn nicht se­hen könn­te.

„Du hast den Fin­ger in das Was­ser ge­taucht“, sag­te die­ser.
„Dies­mal mag‘s hin­ge­hen, aber hü­te dich, daß du nicht wie­der et­was hin­ein­fal­len läßt.“

Am frü­hen Mor­gen saß der klei­ne Kna­be schon bei dem Brun­nen und be­wach­te ihn.

Der Fin­ger tat ihm wie­der weh, und so fuhr er sich da­mit über sei­nen Kopf; da fiel un­glück­li­cher­wei­se ein Haar hin­ab in den Brun­nen.
Er nahm es schnell wie­der her­aus, aber da war es schon ganz ver­gol­det und sei­ne Fin­ger da­zu.










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