Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart


Schließ­lich ge­rie­ten die Mi­nis­ter in Angst und Schre­cken, daß der gan­ze Fall, in den sie ja schon mit all den zu­sätz­li­chen Wa­chen so­viel Geld in­ves­tiert hat­ten, ir­gend­wie zu­ta­ge käme und im Vol­ke be­kannt wür­de; denn ei­ner der vie­len Wa­chen brauch­te nur ein ein­zi­ges Mal ge­schwät­zig zu sein und die Sa­che aus­zu­plau­dern.

So ver­spra­chen die Mi­nis­ter dem­je­ni­gen un­ter den ein­ge­weih­ten Wa­chen ei­ne gro­ße Be­loh­nung, der ih­nen ei­nen gu­ten Rat gä­be, wie sie den gold­bärti­gen Mann ein­fan­gen könn­ten.

Da kam ei­nes Ta­ges ein aus­ge­dien­ter Wacht­pos­ten zu ih­nen.
„Er­lauch­te Her­ren“, sag­te er zu den ver­sam­mel­ten Mi­nis­tern, „ich ra­te Ih­nen eins: laßt ne­ben den Brun­nen ge­sal­ze­nes Brot, ge­sal­ze­ne But­ter und fri­schen, ge­sal­ze­nen Käse le­gen so­wie ei­nen Krug er­le­sens­ten Wein.

Wenn dann der gold­bärti­ge Mann mor­gens kommt, ißt er das Brot, be­kommt da­von Durst und trinkt den Wein.
Da­von wird er si­cher ei­nen Rausch be­kom­men – denn er ist ge­wöhnt, nur Milch zu trin­ken; solch ei­ner aber ver­trägt den Wein nicht.“

Die Mi­nis­ter ta­ten al­les, wie es der aus­ge­dien­te Wacht­pos­ten ge­sagt hat­te; sie lie­ßen das Brot, die But­ter, den Käse und den Wein ne­ben den Brun­nen le­gen.
Da­zu stell­ten sie aber von al­len Sei­ten die Wa­chen auf die Lauer.

Früh­mor­gens kam der gold­bärti­ge Mann wirk­lich hin, aß, trank, be­kam ei­nen Rausch und schlief ein.
So­gleich nah­men ihn die Wa­chen fest und führ­ten ihn zu den Mi­nis­tern, die schon vol­ler Er­war­tung der Neu­ig­keiten harr­ten.

Sie freu­ten sich über al­le Ma­ßen – denn nun war die gro­ße Sor­ge von ih­nen ge­nom­men –, lie­ßen ihn in ei­nen Gold­kä­fig sper­ren und zeig­ten ihn so ih­ren vie­len weit­her­ge­reis­ten Gäs­ten.
Aus al­len Län­dern ström­ten nur so die Kö­ni­ge, Kai­ser, Prä­si­den­ten und Kanz­ler her­bei, um das Wun­der an­zu­se­hen.

Dem gold­bärti­gen Mann, der nun zu ei­ner zu­sätz­li­chen Ein­nah­me­quel­le für den Staat ge­wor­den war, konn­te man aber nie ei­nen Laut ent­lo­cken, er sprach zu nie­man­dem.

Sie mein­ten schon, er kön­ne über­haupt nicht spre­chen und sei eben nur ein wil­der Mensch. Er aß auch nur we­nig; ver­geb­lich stell­ten sie ihm al­ler­lei köst­li­che Spei­sen in sei­nen Kä­fig. Er saß nur da und schwieg still.

Da ge­schah es ein­mal, daß die Mi­nis­ter in den Krieg zie­hen muß­ten.

Sie über­leg­ten nun fie­ber­haft, wem sie den gold­bärti­gen Mann an­ver­trau­en könn­ten, denn er tat ih­nen ja auch leid – aber die Ge­schäf­te des Staa­tes durf­ten nun ein­mal durch sein frei­es Han­deln am Brun­nen nicht ge­fähr­det wer­den, und au­ßer­dem hat­ten sie ihm ja auch schon den teu­ren, gol­de­nen Kä­fig bau­en las­sen, und an köst­li­chen Spei­sen lie­ßen sie es ja auch nicht man­geln, da­mit er nur ja nicht das Ge­fühl hät­te, sie küm­mer­ten sich nicht in der ge­büh­ren­den Wei­se um ihn.

Er war eben ge­wis­ser­ma­ßen – durch die ge­spann­te fi­nan­ziel­le La­ge – ein Op­fer der Staats­in­ter­es­sen ge­wor­den.

So und ähn­lich ging es ei­nem je­den von ih­nen durch den Kopf. Schließ­lich ka­men sie auf den Ge­dan­ken, daß es am bes­ten sei, den jun­gen Kö­nigs­sohn mit der Sor­ge für den gold­bärti­gen Mann zu be­trau­en. Sie gin­gen al­so zu ihm.










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