Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart


Alle vier Wo­chen, im­mer zur Zeit des Voll­monds, sa­ßen sie dann noch zu­sätz­lich spät am Abend zu­sam­men, speis­ten ge­mein­sam an der gro­ßen, reich ge­deck­ten Ta­fel und be­rie­ten da­bei über die all­ge­mei­ne La­ge ih­res Kö­nig­rei­ches.

Mit be­son­de­rer Auf­merk­sam­keit über­leg­ten sie je­doch, wie sie dem zu­künf­ti­gen Herr­scher ei­ne gu­te Er­zie­hung zu­kom­men las­sen könn­ten, da­mit er ei­nes Ta­ges das Reich mit der glei­chen Weis­heit zu re­gie­ren ver­möch­te, wie dies auch schon sein Va­ter ge­tan hat­te.

Bei die­sen Über­le­gun­gen gin­gen die An­sich­ten der ein­zel­nen Mi­nis­ter aber sehr aus­ein­an­der.
Je­der war der Mei­nung, daß es die vor­dring­lichs­te Auf­ga­be sei, den Jun­gen erst ein­mal im Be­reich sei­nes ei­ge­nen Mi­nis­te­ri­ums aus­zu­bil­den.
Ein je­der war fest da­von über­zeugt, daß der Kö­nigs­sohn ohne die ge­nau­en Kennt­nis­se über sei­nen spe­zi­el­len Fach­be­reich die wich­tigs­ten Auf­ga­ben des Rei­ches nicht wahr­neh­men kön­ne.

Ja, je­der ein­zel­ne von ih­nen kam in die­sen Näch­ten des Voll­monds im­mer wie­der zu dem un­um­stöß­li­chen Schluß: wür­de die Hand­ha­bung sei­nes spe­zi­el­len Mi­nis­te­ri­ums vom he­ran­wach­sen­den Kö­nig nicht mit der größ­ten Sorg­falt er­lernt, er­kannt und ge­nau­so wie von ihm, dem Mi­nis­ter, auch be­herrscht, dann wä­re das gan­ze Reich von die­sem ei­nen wich­ti­gen Zweig der Pflicht­er­fül­lung her sei­nem si­che­ren Ver­fall und schließ­lich dem Un­ter­gang ge­weiht.

Es wa­ren dann oft recht un­ru­hi­ge, schlaf­lo­se Näch­te, wel­che die Mi­nis­ter da zu­br­ach­ten, und sie hin­ter­lie­ßen auch auf ih­ren Ge­sich­tern deut­li­chen Spu­ren.

Wo sie frü­her – zu Zei­ten des al­ten Kö­nigs – noch so er­folgs­ge­wohnt ihr Amt mit der nö­ti­gen Wür­de ge­führt hat­ten und nie Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten un­ter­ein­an­der ge­habt hat­ten – ja, ge­gen­sei­tig die Auf­ga­ben des an­de­ren oft nicht ein­mal nä­her ge­kannt hat­ten, denn sie hat­ten ja auch mit ih­ren ei­ge­nen Ver­pflich­tun­gen schon ge­nug zu tun –, da ge­rie­ten sie jetzt oft in hef­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen, bei de­nen es im­mer nur dar­um ging, wel­ches Mi­nis­te­ri­um wich­ti­ger sei als das an­de­re – und wes­halb das so sei, und war­um nun wie­der­um ge­ra­de nicht.

Und wenn dann zur Zeit des Neu­monds die gro­ßen Ent­schlüs­se für den kom­men­den Mo­nat ge­faßt wur­den – ge­nau wie auch der Kö­nig ih­nen ih­re Auf­ga­ben schon im­mer zu die­ser Zeit be­kannt­ge­ge­ben hat­te –, dann war bei die­sen nächt­li­chen Tref­fen so man­cher von ih­nen des öf­te­ren ge­neigt, von sei­nem Am­te zu­rück­zu­tre­ten.

Aber noch war ja nie­mand da, der ihn hät­te ent­las­sen kön­nen – noch je­mand, der sei­ne Ar­beit in der rich­ti­gen Wei­se fort­ge­setzt hät­te.

Wohl wa­ren al­le Mi­nis­ter über die vie­len Jah­re ein­an­der sehr ver­traut ge­wor­den und da­durch per­sön­lich auch sehr herz­lich mit­ein­an­der be­freun­det, je­doch be­stimm­te ih­re plötz­li­che Ver­ant­wor­tung ge­gen­über dem ge­sam­ten Reich und die Schwie­rig­kei­ten un­ter­ein­an­der – je­weils dem an­de­ren die un­ge­heu­re, be­son­de­re Wich­tig­keit des ei­ge­nen Auf­ga­ben­be­rei­ches klar­zu­ma­chen –, daß dann schon öf­ters die an­ge­stamm­te Freund­schaft ge­prüft wur­de.

Doch im­mer wie­der rauf­ten sich al­le zu­sam­men und ka­men dann zu Be­schlüs­sen, die am En­de al­le her­bei­ge­führt hat­ten – wenn sich auch zu­wei­len mal der ei­ne, mal der an­de­re über­vor­teilt oder be­nach­tei­ligt sah.










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