Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Der wunderwirkende Zauberstab


Auf der nächs­ten Wald­lich­tung sah Mani er­neut ei­ne gol­de­ne Schmie­de. Mit ei­ner Zan­ge hielt ein jun­ger Mann ei­ne gol­de­ne Ku­gel in die weiß­glü­hen­de Esse und blies un­ab­läs­sig hin­ein. Und in­dem er sei­nen Atem kräf­tig hin­ein­pus­te­te – so, als woll­te er die Ku­gel da­mit durch­boh­ren –, da streck­te sich die klei­ne Son­ne in die Län­ge.

Und nun stell­te Mani fest, daß es ei­ne ster­nen­gleich schil­lern­de Schlan­ge war, die sich vor­her so kunst­voll zu dem glü­hen­den Feu­er­ball zu­sam­men­ge­rollt hat­te, sich nun aber in die Län­ge reck­te und den jun­gen Schmied mit ih­ren di­a­man­te­nen Au­gen feu­rig und er­war­tungs­voll an­blick­te.

Als er je­doch un­ver­dros­sen wei­ter eif­rig in sie hin­ein­blies, da blin­zel­te ihn die Schlan­ge mit ih­ren strah­len­den Au­gen an; und schließ­lich fing ihr gan­zer leuch­ten­der Leib an zu er­zit­tern.

Bei die­sem fei­nen Vi­brie­ren wan­del­ten sich die ein­zel­nen Schup­pen des schil­lern­den We­sens in strah­len­de Son­nen­au­gen, und al­le die­se se­hen­den Feu­er­bäl­le wa­ren nun fun­ken­sprü­hend auf den jun­gen Schmied ge­rich­tet. Die­ser je­doch sam­mel­te al­le ih­re sprü­hen­den Feu­er­fun­ken in sei­nem Atem und blies sie un­ver­zagt in den ge­öff­ne­ten Ra­chen des Rep­tils zu­rück.

Da be­gan­nen die glü­hen­den, klei­nen Son­nen, die herr­li­che Schlan­ge vom Kopf her wie ein leuch­ten­der Ster­nen­re­gen zu durch­zie­hen, und kaum wa­ren sie am Schwan­ze an­ge­langt, so ström­ten sie wie­der zu­rück zum Kop­fe hin.

Die hin- und her­wan­dern­den Ster­nenzü­ge durch­dran­gen sich ge­gen­sei­tig und bil­de­ten leuch­ten­de Stra­ßen, zwi­schen de­nen sich – durch den Atem des jun­gen Schmieds macht­voll be­wegt – wei­te, lich­te Räu­me auf­spann­ten wie Ster­nen­zel­te.

Als Mani nun ei­nen Blick in den leuch­ten­den Stab hin­ein­wag­te, da war es ihr, als ver­sin­ke sie in ein un­er­meß­li­ches Ster­nen­meer, und ihr Geist be­gann sich ganz un­er­war­tet so schnell über al­le Räu­me aus­zu­deh­nen, daß ihr schwin­de­lig wur­de.

Sie muß­te ih­re Au­gen schlie­ßen. Vom Her­zen her brei­te­te sich ein Glücks­strom macht­voll in ihr aus. „Mit dem kos­mi­schen Le­bens­hauch wirkt der kunst­fer­ti­ge jun­ge Schmie­de­ge­sel­le die voll­kom­me­nen Wün­sche der Welt in den leuch­ten­den Schlan­gen­stab, da­mit sie – aus ei­ge­ner Kraft und mit ei­ge­nem An­trieb ver­se­hen – dem Zu­stand ih­rer na­tür­li­chen Er­fül­lung ent­ge­gen­stre­ben“, er­klär­te Sol sei­ner Schwes­ter.

„Ge­nau­so hat­te dies der an­de­re Schmied auf der vor­he­ri­gen Lich­tung mit den viel­fäl­ti­gen Ele­men­ten von Raum und Zeit ge­tan. Auch sein Ring war aus der Le­bens­schlan­ge ge­bil­det, wel­che sich selbst in den Schwanz biß und so die Ring­form ge­stal­te­te.

Da wir je­doch bei der Ring­her­stel­lung in ei­nem schon fort­ge­schrit­te­nen Sta­di­um ein­ge­trof­fen wa­ren, fiel dir die ur­sprüng­li­che Schlan­gen­her­kunft des Rin­ges nicht auf; denn die Schlan­ge selbst wird im Ver­lau­fe der Voll­en­dung des wun­der­wir­ken­den Kunst­wer­kes un­sicht­bar – ob­wohl sie wei­ter­hin dar­in lebt und die­sem da­mit le­ben­di­ge Kraft ver­leiht.“

Jetzt nahm der jun­ge Schmied den leuch­ten­den Ster­nen­stab, in wel­chem Mani die Schlan­ge auch schon nicht mehr er­ken­nen konn­te, aus der rauch­lo­sen Feu­ers­glut und tauch­te ihn in den kri­stall­kla­ren Quell, wel­cher ne­ben der Esse aus der Er­de in ei­ne gol­de­ne Scha­le spru­del­te.










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