Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Ring der äußeren Erkenntnisübungen im Lichte des Mondes


Und sie flo­gen und flo­gen und sa­hen auf ein­mal ei­nen Schüt­zen, der stand auf dem We­ge und ziel­te mit dem Bo­gen; aber nir­gends war ein Ziel zu se­hen. Hans rief ihm zu: „Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „Wo­rauf zielst du denn, wo doch kein Ziel zu se­hen ist?“

„Wie­so ist denn kei­nes zu se­hen? Ihr könnt es bloß nicht se­hen, aber ich seh‘ es wohl!“ – „Wo siehst du es denn?“ – „Dort, hun­dert­und­acht Mei­len von hier, ist es auf ei­nem di­cken Birn­baum!“ – „Komm mit uns!“

Und er setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen al­le da­von.

Sie flo­gen und flo­gen und sa­hen mit ei­nem Ma­le ei­nen Mann, der ging sei­nes We­ges und trug auf dem Rü­cken ei­nen rie­si­gen Sack voll Brot. „Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „Wo­hin gehst du?“ – „Ich ge­he mir Brot zum Mit­tag­es­sen ho­len“, ant­wor­te­te er.

„Aber du hast doch ei­nen gan­zen Sack voll Brot!“ – „Was nützt mir das biß­chen Brot! Es langt nicht ein­mal für ein ein­zi­ges Früh­stück.“ – „Setz dich zu uns!“ – „Gut.“

Und auch die­ser Mann setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen wei­ter.

Sie flo­gen und flo­gen; plötz­lich aber sa­hen sie ei­nen Mann, der ging im­mer­zu um ei­nen See her­um und schien ir­gend et­was zu su­chen.

„Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „War­um gehst du dort her­um?“ „Ich will trin­ken, aber ich fin­de kein Was­ser.“

„Aber vor dir ist doch ein gan­zer See, war­um trinkst du nicht?“ – „Ach, was nützt mir das biß­chen Was­ser! Es langt nicht ein­mal für ei­nen Schluck.“ – „Dann setz dich zu uns!“ – „Gut.“ Auch er setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen wei­ter.

Sie flo­gen und flo­gen und sa­hen auf ein­mal ei­nen Mann, der trug ei­ne Garbe Stroh.

„Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „Wo­hin trägst du das Stroh?“ – „Ins Dorf“, ant­wor­te­te er.
„Gibt‘s denn im Dorf nicht Stroh ge­nug?“ – „Ach, das ist doch kein ge­wöhn­li­ches Stroh!“ – „Was für Stroh ist es denn?“ – „Sol­ches, daß, wenn es auch noch so heiß wä­re und man streu­te die­ses Stroh aus, es so­gleich Frost und Schnee gä­be.“ – „Setz dich zu uns!“ – „Gut.“

Und er setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen wei­ter.

Und sie flo­gen und flo­gen, auf ein­mal sa­hen sie ei­nen Mann, der ging in den Wald und trug ein Bün­del Rei­sig auf den Schul­tern.

„Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „Wo­hin trägst du das Rei­sig?“ – „In den Wald.“ – „Ja, gibt es denn im Wald kei­nes?“ – „Wie soll­te es kei­nes ge­ben! Aber das ist kein sol­ches Rei­sig.“ – „Was für wel­ches denn?“

„Dort ist ge­wöhn­li­ches“, sag­te er, „aber die­ses hier ist so, daß, wenn du es aus­ein­an­der­wirfst, so­fort ein Heer von Sol­da­ten vor dir steht.“ – „Setz dich zu uns!“ – „Gut.“

Und auch der setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen wei­ter.

Sie flo­gen und flo­gen; end­lich lang­ten sie am Pa­las­te des Zaren an. Dort wa­ren mit­ten auf dem Hof vie­le gro­ße, ge­deck­te Ti­sche auf­ge­stellt, und Fäs­ser um Fäs­ser mit Met wur­den her­an­ge­rollt: iß und trink, lie­be See­le, so­viel du nur willst! Und Leu­te wa­ren dort, das kennt man schon! Das hal­be Reich war zu­sam­men­ge­kom­men: Al­te und Jun­ge und Her­ren und Da­men und Rei­che und Arme – wie auf ei­nem Jahr­markt.

Da kam Hans mit sei­nen Ge­fähr­ten im Schiff an­ge­flo­gen und sie lie­ßen sich vor den Fens­tern des Zaren hin­un­ter, stie­gen aus und gin­gen zum Mit­tags­mahl.

Der Zar sah durch sein Fens­ter, daß je­mand in ei­nem gol­de­nen Schiff an­ge­langt war.
Er be­fahl sei­nen Mi­nis­tern: „Geht und fragt, wer im gol­de­nen Schiff her­ge­flo­gen ist.“

Die Mi­nis­ter gin­gen hin, sa­hen sich die Leu­te an, ka­men zum Zaren und mel­de­ten: „Ir­gend­wel­che zer­lump­ten Kerle!“

Der Zar glaub­te es nicht. „Wie ist denn das mög­lich“, sag­te er, „daß völ­lig un­ge­bil­de­te Män­ner auf ei­nem Schiff her­ge­flo­gen sind? Ihr habt wahr­schein­lich nicht rich­tig nach­ge­fragt.“










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