Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Ring der äußeren Erkenntnisübungen im Lichte des Mondes


Ehe er wei­ter­ging, sag­te er: „Hör gut zu, mein Sohn, was ich dir jetzt sa­ge: geh 108mal drei Schrit­te hier rechts in den Wald; da­von sind je zwei Schrit­te ge­mach­te Schrit­te und je ei­ner ein un­ge­mach­ter Schritt.

So ge­langst du an ein lich­tes Wun­der­feld, wel­ches 108mal 108 Ras­ten mißt. Dort wirst du drei mäch­ti­ge Bu­chen se­hen. Klop­fe beim Son­nen­auf­gang nach­ein­an­der sie­ben­mal an al­le drei Bu­chen, und set­ze dich dann so­fort vor den mitt­le­ren Baum, schlie­ße die Au­gen, und den­ke gar nichts. Sit­ze so lan­ge still, bis dich je­mand auf­we­cken wird.

So wirst du dein Schiff er­hal­ten, mit wel­chem du über Was­ser und Land fah­ren und durch die Luft se­geln kannst. Set­ze dich hin­ein und flieg, wo­hin du willst, un­ter­wegs aber nimm auf, wem du be­geg­nen wirst.“

Hans dank­te dem wei­sen Mann, und dann nah­men sie Ab­schied von­ein­an­der.

Der Wan­de­rer ging wei­ter sei­nes We­ges; der Mül­lers­sohn aber wand­te sich nach rechts in den Wald hin­ein. Er kam nach der ge­sag­ten An­zahl Schrit­te zu dem lich­ten Wun­der­feld und sah auch gleich die drei mäch­ti­gen Bu­chen mit­ten dar­in.

Über ei­ne herr­li­che Wie­se vol­ler far­ben­präch­ti­ger, wohl­duf­ten­der Blu­men und Blü­ten schritt er wie auf ei­nem luf­ti­gen Tep­pich auf die drei ho­hen Be­herr­scher die­ser Lich­tung zu, be­grüß­te sie freund­lich und leg­te sich in ih­rer Mit­te ins ho­he Gras, um so ru­hend den nächs­ten Tag zu er­war­ten.

Als der Mond sich zwi­schen den Wip­feln der drei wa­chen­den Ge­fähr­ten er­hob, brei­te­te sich in sei­nem Geis­te und in sei­nem gan­zen We­sen ei­ne tie­fe, un­end­lich er­hol­sa­me Stil­le aus, und die gan­ze Na­tur schien auch an die­ser tie­fen Ru­he teil­zu­ha­ben.

Als Hans am nächs­ten Mor­gen noch ge­ra­de vor dem ers­ten Ton der Son­ne er­wach­te und sich tau­frisch er­hob, da ging er auf die ers­te Bu­che zu, grüß­te sie und weck­te sie da­bei mit sie­ben­ma­li­gem Klop­fen auf. Das glei­che wie­der­hol­te er bei der zwei­ten und bei der drit­ten Bu­che.

Dann setz­te er sich so­fort, wie ihm emp­foh­len, vor dem mitt­le­ren Baum in den wei­chen Ra­sen, schloß sei­ne Au­gen und dach­te gar nichts. Plötz­lich, nach lan­ger Zeit, fühl­te er, daß ihn je­mand weck­te: „Steh auf“, tön­te es in ihm, „dein Glücks­fahr­zeug ist schon be­reit, steh auf!“

Wie aus tie­fem, tie­fem, end­los lan­gem, lich­tem, traum­lo­sem Schlaf er­wach­te da Hans; und wie er sei­ne Au­gen öff­ne­te und hin­durch­schau­te, da stand schon das Schiff da: ganz aus Gold – strah­lend wie die Son­ne –, und die Mas­ten aus Sil­ber – wie der leuch­ten­de Mond –, die Se­gel aber von Sei­de; und sie bläh­ten sich, als woll­ten sie schon in die Hö­he.

Da wun­der­te er sich nicht lan­ge und setz­te sich in das Schiff. Und das Schiff er­hob sich und flog mit ihm da­von.

Und Hans flog und flog. Plötz­lich aber sah er, wie auf dem brei­ten We­ge un­ter ihm ein Mann lag, das Ohr auf den Bo­den ge­drückt, und horch­te.

Hans rief ihn an: „Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ – „Was machst du da?“
„Ich hor­che“, ant­wor­te­te er, „ob sich die Leu­te beim Zaren schon zum Schmaus ver­sam­melt ha­ben.“
„Ja, willst du denn auch dort­hin?“ – „Ja­wohl!“ – „Setz dich zu mir, ich brin­ge dich hin.“
Er setz­te sich zu Hans, und sie flo­gen wei­ter.

Sie flo­gen und flo­gen; und plötz­lich sa­hen sie auf der Stra­ße ei­nen Mann ge­hen, der hat­te ein Bein hin­ter dem Ohr fest­ge­bun­den, auf dem an­de­ren aber sprang er.

„Gu­ten Tag, gu­ter Mann!“ – „Gu­ten Tag, mein Lie­ber!“ „War­um hüpfst du auf ei­nem Bein?“ – „Dar­um“, ant­wor­te­te er, „weil ich mit ei­nem Satz über die gan­ze Welt hin­weg­sprin­gen wür­de, wenn ich das an­de­re Bein los­bän­de. Und das will ich nicht.“

„Wo­hin gehst du denn?“ – „Zum Zaren auf den Schmaus.“ – „Setz dich zu uns!“ – „Gut.“
Und auch er setz­te sich hin­zu, und sie flo­gen nun ge­mein­sam wei­ter.










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