Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Schattenbilder der Wirklichkeit
am silberweißen Tor zur Transzendenz

Der König des Sommers
im Zeichen der Sonne


Nun ging links über dem Kri­stall­schloß die Son­ne auf. Mor­gen­rö­te über­zog die Re­gen­bo­gen­ne­bel und hüll­te die Welt ganz sanft in den Ge­sichts­kreis des Ta­ges. Die Spin­deln in den Hän­den der Feen schil­ler­ten viel­gol­den, und Mani er­kann­te auf ih­nen ganz fei­ne Per­len­mo­sa­ike.

Jetzt wur­den die Spin­deln kri­stall­klar; mit gol­de­nen Fun­ken durch­setzt, sa­hen sie aus wie der ge­stirn­te Him­mel.
Mit dem Glanz der Son­ne stieg im Spiel der Dre­hung aus den Spin­deln ei­ne blin­ken­de rot­vi­o­let­te Far­ben­pracht und spie­gel­te sich als kos­mi­sches Licht­spiel in den zar­ten Hän­den der Töch­ter des Glü­ckes.

Von den Gold­fä­den der drei schö­nen Kö­ni­gin­nen her­bei­ge­lockt, er­schien un­ter dem Schirm der Son­ne der Som­mer­berg. In fei­er­li­chem Zu­ge kam er her­an und wur­de von mäch­ti­gen Bäu­men be­glei­tet.

Die Herr­scher des Wal­des hat­ten sich zum Teil un­ter dem Berg ver­sam­melt und lie­fen – ih­re stol­zen Kro­nen von un­ten ge­gen den Hü­gel ge­schmiegt – in ih­rem grü­nen Laub­kleid mit; teils hat­ten sie sich auch auf dem Som­mer­berg nie­der­ge­las­sen und re­si­dier­ten dort stolz mit der Pracht ih­rer rei­fen­den Früch­te.

Blu­men­über­sä­te Wie­sen schmück­ten den Son­nen­hü­gel; aber auch in sei­nem Schat­ten, zu Fü­ßen der mit­zie­hen­den Bäu­me, eil­ten noch vie­le Grä­ser im Zug der grü­nen Pracht mit.

Bun­te, sin­gen­de Vö­gel und an­de­re Tie­re des Wal­des be­glei­te­ten den fest­li­chen Um­zug des Som­mers ge­nau­so, wie dies die Son­ne am Him­mel tat; der gan­ze Hü­gel war reich ge­schmückt mit den wohl­duf­ten­den Blü­ten sei­ner Wäl­der und Auen.

Vor den Au­gen Manis zeig­te sich die Zeit der Son­ne in ih­rer höchs­ten Pracht. Blü­ten war­fen ih­re zar­ten Blät­ter auf die schon mit ei­ge­nen, bun­ten Blu­men so reich ge­schmück­ten Wie­sen und bil­de­ten dann so­gleich ih­re run­den Früch­te aus, wel­che schnell reif­ten, wäh­rend an­de­re ne­ben ih­nen sich erst noch träu­me­risch zu wohl­rie­chen­den, far­ben­präch­ti­gen Blü­ten ent­fal­te­ten.

Im­mer neue, grü­nen­de Blät­ter reck­ten sich der la­chen­den Son­ne ent­ge­gen, und in ih­rem Schat­ten wei­de­ten Tie­re und Vö­gel von dem Nek­tar, wel­cher im Ho­nig­tau der Grä­ser und Blü­ten schlum­mer­te.

Auf hal­ber Hö­he des Blu­men­ber­ges saß un­ter dem Schild der Son­ne ein wei­ser Mann in gol­de­nem Ge­wan­de auf ei­nem blu­men­um­wun­de­nen gol­de­nen Thron. Sein lan­ger, gold­wei­ßer, wal­len­der Bart war schwarz­blau um­ran­det.

Blu­men­krän­ze voll zart­duf­ten­der Blü­ten schlan­gen sich an­mu­tig um sei­nen Hals und neig­ten sich von dort zu den mäch­ti­gen Fü­ßen sei­nes viel­gol­de­nen Throns.

Da­mit ih­re Strahl­kraft nicht so er­hitzt auf den mäch­ti­gen Herr­scher fal­le, trug die Son­ne ei­nen gold­sil­ber­nen, küh­len­den Schild vor sich, den sie sich zur Hälf­te vom Mon­de ge­lie­hen hat­te.

Nun ström­ten ih­re Licht­fun­ken wie zar­te, gol­de­ne Re­gen­trop­fen­güs­se auf das Haupt des Mäch­ti­gen; dort er­glänz­ten sie hell und schlu­gen gol­de­ne Re­gen­bo­gen­brü­cken zu den drei hei­li­gen Jung­frau­en und ih­rer Quel­le hin, zum Kri­stall­pa­last und zu al­len Bäu­men.

Die­se gold­um­kränz­ten Re­gen­bo­gen ver­ban­den sich in wun­der­ba­rer Wei­se mit den sil­ber­weiß um­hüll­ten Licht­brü­cken, wel­che sich zu dem sil­ber­nen Hü­gel der Weis­heit hin er­streck­ten.

Voll zu­ver­sicht­li­cher Lie­be schau­te der gü­ti­ge Wei­se von sei­nem gol­de­nen Thron auf die kraft­vol­le Ent­fal­tung der som­mer­li­chen Na­tur; auch nicht die kleins­te Ein­zel­heit schien sei­nem wa­chen, wohl­wol­len­den Blick zu ent­ge­hen – ja, un­ter der Leucht­kraft sei­ner se­gen­spen­den­den Au­gen schien sich erst al­les zur Blü­te und na­tür­li­chen Pracht zu er­he­ben.

Erst als Mani wie­der zum fort­zie­hen­den Win­ter­berg hin­blick­te, fiel ihr auf, daß der dort herr­schen­de wei­se Mann die tie­fe, er­hol­sa­me Stil­le bei ihr be­wirkt und ihr die er­fri­schen­de geis­ti­ge Klar­heit ver­schafft hat­te.

Nun misch­te sich – vom Son­nen­hü­gel her­über­we­hend – in die­se stil­le Geis­tes­küh­le ein mild­war­mer Luft­hauch, durch­drang Manis Ge­fühl und durch­strahl­te wär­me­spen­dend ih­ren er­frisch­ten Geist.
Da­durch emp­fing ih­re tie­fe, ru­hi­ge Geis­tess­til­le ei­nen be­le­ben­den Aus­gleich.

Wäh­rend sie wohl in der Hö­he ih­res Haup­tes wei­ter­hin ei­ne er­fri­schen­de Küh­le bei­be­hielt, drang nun aus der Tie­fe ih­res Le­bens­ge­fühls ei­ne woh­li­ge Wär­me durch al­le ih­re Glie­der und durch­strahl­te sie in­ner­lich mit der un­ge­trüb­ten Kraft der Son­ne.

Jetzt er­höh­te sich ihr in­ne­res Le­bens­glück, rank­te vom Wun­der­brun­nen ih­res Her­zens em­por in das Ster­nen­gefäß ih­res Geis­tes und ließ sich dort in Form un­bän­di­ger Le­bens­freu­de nie­der.










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