
PETER HÜBNER · DIE INSEL DES GLÜCKS
~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~
nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm
Der mittlere Geistesring im Lichte des Mondes
Wissen und Macht
über die Wachstumsprozesse
Auf der nächsten Waldlichtung sahen sie, wie eine Gruppe Mädchen und Jungen auf reich verzierten Matten im blumengeschmückten Grase saßen und mit Körnern spielten.
„Hast du eine Tanne?“ fragte eine der Übenden ihren Nachbarn.
„Laß mich nachsehen“, antwortete dieser und griff in einen großen, mit allen möglichen Körnern gefüllten Korb.
Wie wahllos holte er aus der Tiefe ein Korn heraus und zeigte es dem Mädchen.
„Wieviele Äste hat diese Tanne im vierundzwanzigsten Jahr?“ fragte die Nachbarin jetzt weiter.
„Fünfundvierzig“, antwortete der andere, „neun Ringe, und auf jedem fünf“, war die Antwort.
„Und wieviele Zweige?“ fragte jetzt das schöne Mädchen weiter.
„Auf jedem Ast sehe ich zehn versammelt, also 450.“
„Kannst du mir auch noch die Anzahl der Nadeln der vierundzwanzig Jahre alten Tanne sagen?“ fragte sie jetzt weiter.
„Mit oder ohne Wind und Wetter?“ fragte er zurück. „Ohne.“ „9 457 875.“ „Gut, Probe.“
Nun warf der junge Mann in der grün-silbernen Festkleidung das Korn etwa drei Schritte weit vor sich ins Gras und blies hinterdrein, und sofort wuchs dort eine herrliche, mit grünen Nadeln geschmückte Tanne empor.
Um ihren Stamm rankte sich auch gleich Efeu in die Höhe, so daß der Stamm völlig in zartgrüne Blätter gekleidet war.
Als sie die Äste und Zweige zählten, da stellten sie fest, daß die vorher gemachten Angaben stimmten.
„Jetzt laß uns die Nadeln zählen“, sagte ein weiterer Teilnehmer und pustete noch einmal in den Baum.
Sofort stand dieser in hellen Flammen.
Viele, viele kleine blaue Flämmchen sprühten aus der rotgolden erglühenden Tanne.
Aus jeder Nadel schoß ein Licht nach außen, und diesem blauen Lämpchen folgte ein rotweißer Sprühfunken, welcher noch einen rotgoldenen Glühfaden nach sich zog.
So hatte es den Anschein, als wenn der ganze Baum in einem Sternschnuppenregen stünde, welcher von allen Seiten auf ihn eindrang.
Wie ganz feines Donnergrollen drang dieser Strahlenregen an Manis Ohr.
Inmitten dieses Feuerwerks erglühten dann plötzlich noch einmal Stamm und Äste, so daß sie hell silber-golden durch den blaurot-goldenen Sternenregen hindurchleuchteten.
Inmitten der silbernen Vollmondnacht schien die helle Sonne in Baumgestalt aufgehen zu wollen; doch dann versank sie, wie sie erglüht war, mit einem Funkenfluß, in welchem sich die sprühende Glut von der Höhe der leuchtenden Tanne zur Erde ergoß.
Zurück blieb die stille, weißschimmernde Waldlichtung mit der Gruppe der Übenden.
„Stimmt“, sagte der Flammenerzeuger zum Kornwerfer. „Ich habe 9 457 875 Funkentöne gehört.“
„Diese Schüler üben sich im Erkennen der Einzelheiten des Lebendigen auf der Ebene von dessen kleinster gemeinsamer Vielfalt“, erklärte Sol seiner Schwester.
„Wollen sie die belebte Natur beherrschen, so müssen sie erst einmal die Beziehung von Ursache und Wirkung im Lebendigen erkunden.
Das schnelle Wachsenlassen steht hierbei an zweiter Stelle; die Hauptsache dieser Übung liegt darin, schon bei einem keimfähigen Samenkorn das ausgewachsene Lebewesen zu erkennen.
Später, in den ,Ringen der Erkenntnisübungen erlernen die Schüler die eigentliche Machtergreifung über das Wachstum, sie lernen die Einzelheiten der Wachstumsstruktur zu beherr-schen und zu steuern.
Auch hier siehst du wieder zwölf Richter und Richterinnen Agnis um den Platz versammelt, die das Zusammenspiel der Götterkräfte in den Elementen überwachen“, fuhr Sol in seiner Erklärung fort.
„Und der weise Alfe, der hinter den Übenden auf dem gold-silbernen Sessel sitzt, ist der Lehrer dieser Übung.
Er ist ein Verwandter der Göttin Sif, der Tochter Iwaldis, welche ja bekanntlich die Samen ersonnen hat.“
Sol bedeutete seiner Schwester, daß sie nun weitergehen würden, und so schritten sie munter weiter den Berg hinan.