Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Der mittlere Erkenntnisring im Lichte der Sonne


Der Sol­dat stand sol­chem ag­gres­si­ven Be­trei­ben sei­nes Kö­nigs völ­lig ver­ständ­nis­los ge­gen­über, so als käme die­ser plötz­lich aus ei­ner ganz an­de­ren Welt und könn­te oder woll­te sich hier nicht an­pas­sen – wo es doch die ein­fachs­te Sa­che der Welt ist, mit an­de­ren Frie­den zu hal­ten und glück­lich zu plau­dern.

„Es gibt doch ge­nug schö­ne Din­ge in der Welt und zwi­schen den Men­schen. War­um da Krieg schaf­fen wol­len mit sei­nen Freun­den; dies ist wahr­lich kein er­he­ben­der Ein­fall!“
So oder ähn­lich sag­ten dem Kö­nig sei­ne Sol­da­ten.

Doch Helgi woll­te im­mer noch nicht auf­ge­ben; im­mer und im­mer wie­der mach­te er mit al­len Mit­teln sei­ner Über­re­dungs­kunst neue An­läu­fe – er ver­such­te es durch har­te Wor­te: das half schon über­haupt nichts – durch Er­läu­te­run­gen: das in­te­res­sier­te nicht, war of­fen­sicht­lich nicht in­spi­rie­rend und nicht po­si­tiv ge­nug – durch Fle­hen: da emp­fand ein je­der we­nigs­tens noch Mit­leid mit sei­nem ver­wirr­ten Kö­nig.

Als Helgi nun schließ­lich auf sein an­ge­stamm­tes Kö­nigs­amt und auf die recht­li­che Macht sei­ner Herr­schaft poch­te, da blick­ten ihn sei­ne Sol­da­ten völ­lig un­gläu­big an: „Je­der Mensch ist ein Kö­nig, dies ist die Wahr­heit“, ant­wor­te­te ihm ein je­der nur, „seid Ihr denn kein Kö­nig, daß Ihr da Zwei­fel hegt?“

Wäh­rend­des­sen brach­te Sawala durch ih­re über­na­tür­li­chen Kräf­te noch ei­ne Grup­pe ganz gol­de­ner Krie­ger mit ei­nem sil­ber­wei­ßen Strah­len­kranz um de­ren Häup­ter her­vor – mit gol­de­nen Schil­den und gol­de­nen Spee­ren aus­ge­rüs­tet, leuch­tend wie die Son­ne am Him­mel.

Und als der Kö­nig Helgi nun sei­ne Sol­da­ten an­fleh­te, sich die­sen Krie­gern doch we­nigs­tens ein­mal zu­zu­wen­den – auch wenn sie da­bei noch gar nicht in Er­wä­gung zö­ge, mit die­sen zu kämp­fen, da lenk­ten erst ein­zel­ne Sol­da­ten und dann all­mäh­lich das gan­ze Heer von ih­ren ver­trau­ten Ge­sprächs­part­nern den Blick zu den gol­de­nen, strah­len­den Hel­den hin.

Und sie konn­ten ih­ren nun hell auf­leuch­ten­den, be­se­lig­ten Blick nicht mehr von die­sen son­nen­glei­chen Män­nern wen­den und wa­ren für ih­ren Kö­nig nun gar nicht mehr an­sprech­bar, denn im­mer nur hiel­ten sie voll se­li­gen Glücks ih­ren Blick auf die mäch­ti­gen Hel­den in den gol­de­nen Rüs­tun­gen und mit dem sil­ber­wei­ßen Strah­len­kranz ge­rich­tet.

So ver­harr­ten die Sol­da­ten be­we­gungs­los. Und was der mäch­ti­ge Er­obe­rer Helgi auch an­stell­te, es half nichts – sei­ne Sol­da­ten rühr­ten sich über­haupt nicht mehr, so als hör­ten sie ihn gar nicht, als gä­be sein an­dau­ern­des Re­den für sie über­haupt kei­nen Sinn, ja, als exis­tie­re er für sie über­haupt nicht mehr; sie schau­ten im­mer nur die gol­de­nen, strah­len­den Krie­ger an.

Jetzt eil­ten die ein­hun­dert­und­acht Söh­ne Helgis – mit all ih­ren Fä­hig­kei­ten an­ge­tan und mit hell­wa­chen Sin­nen so­wie mit kri­stall­kla­rer Er­kennt­nis­kraft aus­ge­rüs­tet – zum Wei­sen Se­her­mund hin.

Dar­auf sang Se­her­mund nur ei­nen ein­zi­gen kur­zen, zar­ten Ton, und al­le Söh­ne Helgis wa­ren von den Fes­seln des Schick­sals frei.
Al­le ih­re Wün­sche, wel­che sie im Lau­fe ih­res lan­gen Schick­sals­we­ges ge­hegt hat­ten, wur­den mit die­sem Ton auf ein­mal voll­stän­dig er­füllt.

Als Helgi sei­ne Söh­ne nun aus dem Krie­ger­stand he­raus­ge­ho­ben sah, da wur­de er von Scham über­wäl­tigt; in tie­fem Sin­nen kehr­te er zu sei­ner Haupt­stadt zu­rück.
Und er hob sei­nen ein­zi­gen Sohn, der noch dem Krie­ger­stand an­ge­hör­te, auf den Thron – denn die­ser war ja zu­rück­ge­blie­ben, um wäh­rend der Ab­we­sen­heit des Va­ters und der Brü­der die Ge­schäf­te der Kö­nigs­herr­schaft zu füh­ren.

Dann be­gab sich Helgi in die ho­hen Ber­ge und fing an, gro­ße, per­sön­li­che Op­fer­hand­lun­gen durch­zu­füh­ren, um sei­nen Ahn Uller um die Ge­wäh­rung ei­nes Wun­sches zu bit­ten.
Nach ei­ni­ger Zeit er­schien ihm der gü­ti­ge Ahn­herr. Helgi bat um ei­nen Bo­gen und um Pfei­le mit ge­hei­men Kräf­ten und er­hielt das Ge­wünsch­te.

Mit die­sen über­na­tür­li­chen Waf­fen ver­se­hen, griff Helgi wie­der Se­her­munds Ein­sie­de­lei an.
Beim An­griff Helgis rann­ten al­le As­ke­ten vol­ler Furcht aus dem Wal­de da­von – ob­wohl Se­her­mund sie zu be­ru­hi­gen ver­such­te und sie zu blei­ben bat.

Helgi schoß sei­ne her­vor­ra­gen­de Waf­fe ge­gen den Ein­sied­ler ab.
Aber Se­her­mund fing die Pfei­le, die sich vor sei­nem An­ge­sicht in herr­li­che Blu­men ver­wan­del­ten, spie­le­risch mit sei­ner Hand auf und stell­te dar­aus ei­nen schö­nen, far­ben­präch­ti­gen Strauß zu­sam­men.

So wur­de der star­re Sinn des mäch­ti­gen Krie­gers Helgi, des gro­ßen Er­obe­rers und un­be­schränk­ten Herr­schers über die gan­ze Er­de, der ganz fest an den Er­folg der äu­ße­ren Macht­mit­tel glaub­te, durch die über­na­tür­li­che Kraft des voll­kom­me­nen Wei­sen ge­läu­tert.

„Schan­de über die Macht der Krie­ger, Kö­ni­ge und Hel­den! Ich muß ir­gend­wie Weis­heit er­lan­gen!“ rief Helgi da aus, so daß es je­der in der Welt hö­ren konn­te.










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