Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Geschichte des Mannes mit dem goldenen Bart


Und wie er so sann, da öff­ne­te sich auf ein­mal das Fens­ter wie von selbst, und her­ein flog ein Storch. „War­um be­trübst du dich, Kö­nigs­sohn?“

„Wie soll ich mich nicht be­trü­ben, da der Kö­nig doch ge­sagt hat, daß ich ein Kind her­bei­zau­bern soll, wel­ches al­le Spra­chen spricht und auch noch mu­si­zie­ren kann, und wenn ich es nicht tue, dann läßt er mich in ei­nem Kä­fig über al­le Lan­de fah­ren und als übels­ten Lüg­ner und Be­trü­ger zur Schau stel­len.“

„Wenn‘s wei­ter nichts ist; des­we­gen sollst du wahr­lich kein biß­chen be­trübt sein“, sag­te der Storch, „ich hole dir solch ein Kind.
Denn weißt du nicht, daß ich der Kö­nig der Stör­che bin, mit dem du ein­mal Er­bar­men hat­test? Jetzt will ich es dir ver­gel­ten.“

Da­mit flog der Storch von dan­nen, und nicht lan­ge dar­auf kehr­te er wie­der zu­rück und brach­te ein Wi­ckel­kind.
Das Kind be­gann so­gleich zu mu­si­zie­ren und in al­len Spra­chen zu re­den.

Nun freu­te sich der Kö­nigs­sohn und gräm­te sich nicht mehr; er ließ auch die Prin­zes­sin nicht mehr schla­fen. „Steh auf, mein schö­nes Herz­lieb; das Kind ist schon da!“

Die Prin­zes­sin stand auf und sah das Kind; sie hör­te, wie es mu­si­zier­te und wun­der­te sich sehr dar­über. Doch der Kö­nigs­sohn un­ter­hielt sie mit vie­len Scher­zen; sie wa­ren fröh­lich, lach­ten sich an und ver­brach­ten die Zeit wie Lie­ben­de; sie ver­lieb­ten sich in­ein­an­der und schwu­ren sich gleich ewi­ge Treue.

Mor­gens, als der Kö­nig und die Mi­nis­ter das Kind sa­hen, konn­ten sie sich vor lau­ter Stau­nen nicht fas­sen; doch die Prin­zes­sin ließ es da­bei nicht be­wen­den.

„Nun, mein er­lauch­ter kö­nig­li­cher Va­ter“, sag­te sie vor al­len an­we­sen­den Mi­nis­tern, „wenn Ihr mir schon die Schan­de an­ge­tan habt, so laßt mich jetzt auch mit die­sem Jüng­ling trau­en; denn mei­ne Au­gen bren­nen vor Scham, so sehr schä­me ich mich.“

Der Kö­nig wi­der­setz­te sich nicht; er sah ein, daß dies mög­lichst schnell ge­sche­hen müs­se – war doch die Kin­des­wei­he so­wie­so schon frü­her als die Hoch­zeit!

Und es wur­de noch ein­mal Hoch­zeit ge­hal­ten, und al­le aßen, tran­ken und sa­ßen ver­gnügt bei­ein­an­der und plau­der­ten, und auch die bei­den Rei­se­ge­fähr­ten des Kö­nigs­soh­nes wa­ren zu die­sem gro­ßen Er­eig­nis ge­la­den und sa­ßen schön ge­klei­det als Eh­ren­gäs­te ganz in der Nä­he des Kö­nigs.

Nach der Hoch­zeit frag­te der Kö­nig sei­nen Schwie­ger­sohn: „Nun, mein lie­ber Sohn, jetzt bist du mein Schwie­ger­sohn; nun sa­ge mir auch, was für Küns­te du kennst, daß du all die vie­len Wun­der­ta­ten ver­rich­ten konn­test, die ich dir auf­trug?“

„Ach, mein er­lauch­ter kö­nig­li­cher Schwie­ger­va­ter, Gna­de mir! Ich weiß gar kei­ne Küns­te – bin ge­ra­de nur so dem üb­len Ruf ent­ron­nen.“

Nun er­zähl­te er ihm al­les, auch daß er ein Kö­nigs­sohn sei – wie er von zu Hau­se fort­ge­lau­fen sei und wie er die drei Vö­gel ge­fun­den ha­be; aber er er­zähl­te auch, daß er den bei­den Rei­se­ge­fähr­ten zwar von sei­ner Be­kannt­schaft mit den drei ge­fie­der­ten Kö­ni­gen be­rich­tet, daß er je­doch nie­mals et­was von dem ge­sagt ha­be, was ihm an Be­haup­tun­gen un­ter­stellt wor­den sei: daß er die Wun­der ver­rich­ten kön­ne und daß er die Äm­ter an­stre­be; die bei­den hät­ten sich dies nur aus­ge­dacht.

Der Kö­nig wur­de gar nicht bö­se auf ihn; er freu­te sich viel­mehr, daß sein Schwie­ger­sohn auf­rich­tig und ein wahr­haf­ti­ger Kö­nigs­sohn war.

Aber über die Güte und die Klug­heit der bei­den Rei­se­ge­fähr­ten war er auch be­glückt, und er woll­te ih­re Gut­her­zig­keit reich be­loh­nen.
Des­halb woll­te er sie zu sei­nen ver­trau­ten Be­ra­tern in al­len An­ge­le­gen­hei­ten des Rei­ches er­nen­nen.










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