Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Walpurgas Weltfest

Walpurga und ihre Lohjungfrauen
auf der Flucht vor der wilden Jagd


Nun kam plötz­lich wie­der Wind auf. In des­sen Ge­fol­ge ritt beim Lich­te des Voll­monds ei­ne voll­kom­men schnee­weiß ge­klei­de­te, über­aus schö­ne Frau in flie­gen­der Hast auf ei­nem wei­ßen Bä­ren her­an.

Ihr Haupt, wel­ches von lan­gem, lo­cki­gem, gol­de­nem Haa­re be­deckt war, trug ei­ne gol­de­ne Kro­ne. Ih­re zier­li­chen Füße wa­ren mit rot­gol­de­nen, fein be­stick­ten, wie Son­nen­feu­er glän­zen­den Schu­hen ge­schmückt.

In ih­rer Hand hielt sie ei­nen Spie­gel, reich mit Edel­stei­nen ver­ziert und sil­ber­weiß leuch­tend – wie das schwei­fen­de Mond­ge­stirn.
Im blin­ken­den Bil­de die­ses Spie­gels sah Mani Wel­ten ent­ste­hen und ver­ge­hen; sie muß­te kurz ih­re Au­gen schlie­ßen, um nicht in Ver­wir­rung zu ge­ra­ten.

In ih­rer an­de­ren Hand hielt die Fee ei­ne gol­de­ne Spin­del, mit wel­cher sie ei­nen gol­de­nen Fa­den aus dem Spie­gel­bild her­aus­fä­del­te.
Die Schnur tauch­te sie in ei­nen mit­ge­führ­ten, hell und klar spru­deln­den Quell und wi­ckel­te sie dann auf die gol­de­ne Spu­le.

Der far­ben­präch­tig leuch­ten­de Fa­den nahm durch das Bad in sei­nem In­ne­ren ei­nen so strah­len­den Glanz an, daß Mani mein­te, in ihm wür­den un­zäh­li­ge Son­nen auf­ge­hen.

Der Kö­nig der Tie­re trug als Sat­tel ei­nen Wolf. Des­sen Fell glänz­te wie blau­schim­mern­des Sil­ber­haar und ent­sand­te nach al­len Rich­tun­gen blau­wei­ße Feu­er­win­de.
Kaum tra­ten die Flam­men aus den ein­zel­nen, fei­nen Här­chen her­aus, da nah­men sie blau­sil­ber­ne Licht­ge­stal­ten an und rit­ten dann als leuch­ten­de, schö­ne Was­ser­jung­frau­en auf schäu­men­den Wo­gen.

Wie ein un­über­seh­ba­rer Schwarm lieb­lich tan­zen­der Irr­lich­ter um­kreis­ten sie die schö­ne Bä­ren­rei­te­rin.
Die sil­ber­wei­ßen Wo­gen, auf de­nen die hol­den Jung­frau­en mit­rit­ten, stamm­ten aus dem wei­ßen Fell des Bä­ren, aus wel­chem sie spie­le­risch un­ter die Feu­er­ge­stal­ten ge­rollt wa­ren.

Mit ei­ner schil­lern­den Schlan­ge, de­ren Au­gen Mani wie Di­a­man­ten an­strahl­ten, trieb die wei­se Rei­te­rin den mäch­ti­gen Bä­ren zu grö­ße­rer Eile an.

„Dies ist Wal­pur­ga auf ih­rer Flucht vor der wil­den Jagd“, er­klär­te Sol sei­ner Schwes­ter.
„Ihr Spie­gel, wel­cher wie der hel­le Mond leuch­tet, ist das rei­ne Be­wußt­sein; in ihm er­kennt sie die Schick­sals­we­ge al­ler We­sen und Din­ge ver­eint; des­halb sieht man in dem Spie­gel auch die vie­len wech­seln­den Ge­stal­ten und Ge­schich­ten ab­ge­bil­det.

Un­auf­halt­sam dreht sich in die­sem Wun­der­spie­gel das Wer­den der Welt im end­lo­sen Rei­gen der Zeit – wie auf ei­nem leuch­ten­den Rad.










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