Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Schattenbilder der Wirklichkeit
am silberweißen Tor zur Transzendenz

Der König des Winters
im Zeichen des Neumonds


Der ers­te Berg lag in tie­fem Win­ter; die Bäu­me und Sträu­cher auf ihm klam­mer­ten sich an we­nig be­er­de­te, frost­star­re Fels­wän­de und sa­hen aus wie der Reif per­sön­lich; Fel­sen und Er­de wa­ren eis­be­deckt, und über den Hän­gen wü­te­te ein hef­ti­ger Schnee­sturm, den der Win­ter grim­mig in den Berg hin­ein­trieb, als woll­te er den Hü­gel mit sei­ner Käl­te spal­ten.

Al­les Ge­tier hat­te sich un­ter den Schutz des käl­te­ge­schüt­tel­ten Fels­ber­ges be­ge­ben und wan­der­te ne­ben den Bäu­men und Sträu­chern auf den eilig mit­lau­fen­den Grä­sern mit.

Mani schien es, als ob der Tod auf die­sem Wan­der­glet­scher sei­ne Schre­ckens­herr­schaft füh­re; denn al­les Le­ben schien er­stor­ben – nur grim­mi­ge Käl­te starr­te ihr ent­ge­gen –, und die Er­in­ne­rung an die Eis­fel­sen im Welt­oze­an wur­de wie­der in ihr wach­ge­rüt­telt.
Jetzt drang die Ei­ses­käl­te zu ih­nen her. Mani be­gann sich zu schüt­teln.

Wäh­rend sie so zit­ternd dasaß und sich dem grim­mi­gen Frost über­ließ, wur­de ih­re Auf­merk­sam­keit er­neut ge­fes­selt: kra­chend sprang der Fel­sen aus­ein­an­der; aus der klaf­fen­den Öff­nung sto­ben glit­zern­de Eis­split­ter und starr­ten sie mit schar­fem, durch­drin­gen­dem Blick an.
Mani er­kann­te in ih­nen Frost­sol­da­ten.

Mit schar­fen Eis­klin­gen trie­ben die Söld­ner des Win­ters die her­an­fe­gen­den Schnee­schau­er in die Fel­sen und spal­te­ten die­se.
Die Krie­ger wa­ren mit Wämsern aus be­moos­tem Stroh be­klei­det und mach­ten den Ein­druck an­griffs­lu­sti­ger Stroh­pup­pen.

Zu den Schlä­gen ih­rer Ei­ses­klin­gen und -äxte lie­ßen sie grim­mi­ge Kamp­fes­lie­der er­schal­len. Wo im­mer sie noch ir­gend­wel­ches Grün fan­den, hie­ben sie es ab und trie­ben es mit mäch­ti­gen Schlä­gen in den Bo­den, und so­gleich schüt­tel­ten sich die ent­laub­ten Äste im Win­ter­sturm.

Sie er­starr­ten zu bi­zar­ren Frost­ge­bil­den und wur­den so zu Ver­kün­dern klir­ren­der Käl­te.

Jetzt sah Mani den Win­ter selbst: Frost starr­te sie mit durch­drin­gen­dem Blick an, als der Win­ter aus der Fel­sen­kluft her­vor­trat.
Bei sei­nem An­blick sprang der Mond jauch­zend in die Hö­he und tanz­te wie von Sin­nen am Fir­ma­ment um­her.

Mit ei­ner mäch­ti­gen Eis­stan­ge – so groß wie zehn Bäu­me – trieb der Win­ter die Fel­sen­spal­ter vor sich her und sta­chel­te sie zu im­mer wil­de­rer Eile an.

Wie auch sei­ne Sol­da­ten – die dem Win­ter je­doch an Grö­ße der Ge­stalt weit un­ter­le­gen wa­ren –, so hat­te auch die­ser grim­mi­ge An­trei­ber ein Stroh­wams, wel­ches über und über mit Moos be­wach­sen und völ­lig mit Eis über­zo­gen war; im däm­me­ri­gen Mond­licht schim­mer­te das Wams sil­ber­grau­grün und ver­band sich lü­cken­los mit des Hünen reif­ro­tem Bart und sei­nem wil­den Haar, wel­che bei­de in ge­fro­re­nen Zot­teln von sei­nem mäch­ti­gen Kop­fe he­rab­hin­gen.

Um dem ei­si­gen Win­ter ins Ge­sicht zu bli­cken, muß­te sich Mani fast den Hals ver­ren­ken.
Aber als der zwin­gen­de, star­re Blick des Hünen Mani ganz plötz­lich und un­er­war­tet traf, da frös­tel­te sie.










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