Opera Cycle of Revelation

PETER HÜBNER  ·  DIE INSEL DES GLÜCKS

~ Der uralte Sonnenweg unserer Ahnen zu kosmischem Glück ~

nach den Forschungen, Sammlungen und Aufzeichnungen
der Gebrüder Grimm



Die Schattenbilder der Wirklichkeit
am silberweißen Tor zur Transzendenz


Wäh­rend die Ries­in­nen so mit ih­rem Gar­ne al­les Ge­schaf­fe­ne ein­fin­gen, band die ei­ne al­les, was hin­ter ih­nen lag, die zwei­te fes­sel­te al­les, was sich bei ih­nen, über ih­nen, un­ter ih­nen so­wie links und rechts von ih­nen aus­brei­te­te, und die drit­te kon­zen­trier­te sich auf al­les, was sich vor ih­nen er­streck­te.

Schau­er­lich hall­ten in Manis Ohr ih­re un­er­bitt­li­chen, hart­her­zi­gen Auf­la­gen, die sie den Le­be­we­sen und Ge­gen­stän­den mit ih­ren schril­len, lau­ten Stim­men mach­ten, mit de­nen sie so end­gül­tig de­ren Schick­sal fest­leg­ten und ge­mein­sam be­sie­gel­ten.

Au­ßer­dem führ­ten die drei Ries­in­nen noch ei­nen fel­sen­ge­schla­ge­nen Brun­nen mit sich; die­ser folg­te ih­nen wie ein Hund.
Aus dem Brun­nen­loch quoll ohne Un­ter­laß ein übel­rie­chen­der, mod­ri­ger Schlamm her­vor und er­goß sich nach al­len Sei­ten.

In die­sen Schlamm­ge­wäs­sern, wel­che al­les Un­heil der Welt mit sich zu füh­ren schie­nen, tränk­ten die wil­den Wei­ber ih­re Fä­den, be­vor sie die­se zu­sam­men­knüpf­ten.

So er­hielt der Strick vom Schmutz der Schla­cken ei­ne grau-brau­ne Far­be, und auch ihr Web­tuch, wel­ches al­le Na­tur wie Spin­nen­ge­webe über­zog, hüll­te die gan­ze Welt in ei­nen dun­kel­grau­en freud­lo­sen Schlei­er.

Als ei­nes der Un­ge­tü­me Mani plötz­lich be­denk­lich na­he kam, setz­te sie sich so­gleich hin; sie be­fürch­te­te, das Weib wer­de im nächs­ten Au­gen­blick mit sei­nem rohen ungeschlach­ten Fuß – groß wie ei­ne rie­si­ge Eiche – auf sie tre­ten.
Schnell schloß sie ih­re Au­gen.

Als Mani wie­der wie aus tie­fem, er­hol­sa­men Schlaf er­wach­te und ih­re Au­gen öff­ne­te, da er­blick­te sie vor sich auf blu­mi­ger Wald­lich­tung – in hauch­fei­ne Ne­bel­schlei­er ge­hüllt – ei­nen herr­li­chen Kri­stall­pa­last.

Im stil­len Lich­te des Voll­mondes er­kann­te sie drei wun­der­schö­ne Mäd­chen, die vor dem glit­zern­den Pa­las­te un­ter ei­nem gro­ßen, reich mit Früch­ten be­la­de­nen Eschen­baum sa­ßen und flei­ßig die Spin­del dreh­ten.

Da­bei san­gen sie mit über­aus lieb­li­chen Stim­men Lie­der vom Glück des Men­schen­le­bens und von den se­gens­reich wal­ten­den Kräf­ten der Na­tur.

In schnee­wei­ße, reich gold- und sil­ber­be­stick­te Ge­wän­der ge­klei­det und in re­gen­bo­gen­glei­che Ster­nen­schlei­er ge­hüllt, er­schie­nen sie Mani wie Wunsch­mäd­chen – wie die höchs­ten Feen der Welt.

Ne­ben den milch­wei­ßen, leuch­ten­den Jung­frau­en des Glücks ent­sprang ein kri­stall­kla­rer, er­fri­schen­der Quell aus ei­nem sil­ber­durch­wirk­ten und mit Blü­ten ge­schmück­ten di­a­man­te­nen Brun­nen und floß in vie­len klei­nen, wohl­rie­chen­den Bä­chen den Blu­men­hü­gel hin­ab in die Ebe­ne.

Mit Tau über­zo­gen die rei­nen Was­ser al­le Blu­men und Grä­ser, al­le Bäu­me und Blät­ter und auch al­le Sträu­cher und tauch­ten die lich­te Wald­ge­gend in ein viel­far­big schil­lern­des, fein­sil­bern schim­mern­des Licht; Mani glaub­te, auf ei­nem per­len­ge­schmück­ten Mond­see zu sit­zen.










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